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Die blaue Liste

Die blaue Liste

Titel: Die blaue Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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Schmatzen. Sie fraßen. Dengler
     ging zurück zum Motorrad und wartete. Wenn das Heroin über den Magen aufgenommen wird, dauert es fünfzehn oder zwanzig Minuten,
     bis es im Gehirn ankommt und seine Wirkung entfaltet.
    Georg holte die Gartenschere aus dem Staufach desMotorrads und steckte sie in die Tasche. »Bleib hier und warte auf mich«, flüsterte er Mario nach einer Viertelstunde zu und
     ging erneut zum Zaun. Auf der anderen Seite war es ruhig. Dengler griff nach der Gartenschere und bückte sich. Er trennte
     die Gewächse direkt über dem Boden durch und zog sie so weit hoch, dass er darunter durchklettern konnte.
    Er konnte die abgeschnittenen kleinen Stämme wieder hinter sich zuziehen wie eine Tür. Von den Hunden hörte er nichts mehr.
     Langsam zerschnitt er auch die Drähte des Zauns direkt über dem Boden. Nach einer halben Stunde hatte er einen genügend großen
     Durchschlupf geschaffen. Er kletterte durch Busch und Zaun auf das Grundstück und schloss die Lücke im Zaun hinter sich.
    Er stand auf einer Wiese mit Olivenbäumen. Von Ferne sah er das Haus im Dunkeln. Die Hunde lagen nur ein paar Meter von ihm
     entfernt. Gebückt rannte er zu ihnen; es waren ein Rottweiler mit gekürztem Schwanz, ein Deutscher Schäferhund und ein Exemplar,
     das er für eine Mischung zwischen allen großen Rassen dieser Welt hielt. Die Tiere winselten, der Rottweiler versuchte aufzustehen,
     gab es aber sofort wieder auf.
    In der gleichen gebückten Haltung lief Dengler zum Haus hinüber, hielt aber Abstand, weil er mit Alarmanlagen rechnete. Er
     bewegte sich nur dort, wo er auch Hundespuren sah. Neben dem Haus sah er ein längeres schmales Gebäude. Er lief zu ihm hinüber,
     und ihm schlug ein lang vergessener Geruch in die Nase. Paul Stein züchtete Schweine. Nun hörte er auch das schlaftrunkene
     zufriedene Grunzen. Er kontrollierte die Außenwände des Stalls, fand die Schweinekoppel, die Futtertröge, Suhlstellen und
     Wassertränken. Dann schlich er zum Wohnhaus zurück, umkreiste es zweimal, um sich die Lage des Hauses und seinen Grundriss
     einzuprägen. Als er zum Zaun zurückkam, stand der Schäferhund bereits unsicher, taumelte leise bellend und glückselig unter
     denOlivenbäumen. Dengler kroch durch die Lücke zurück und verschloss sorgfältig Zaun und Busch.
    Als sie im Hotel ankamen, erschien bereits der Tag hell schimmernd am Horizont. Dengler bat den verschlafenen Nachtportier,
     sie um zehn Uhr zu wecken, und ging zu Bett.

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    Als das Telefon klingelte, kämpfte er sich durch einen schweren Traum, in dem er von taumelnden Hunden und Fledermäusen angegriffen
     wurde. Er war dem Portier für den Weckruf dankbar.
    Nackt und mit geschlossenen Augen schleppte er sich ins Badezimmer und drehte den Kaltwasserhahn der Dusche bis zum Anschlag
     auf. Er hielt die Luft an, zählte langsam bis drei und sprang unter den Strahl. Schlagartig war er hellwach.
    Dann packte er seine Tasche, bezahlte an der Rezeption die Rechnung und reservierte sich ein Zimmer für den Abend.
    Er griff erst zu seinem Handy, als er in der Bar neben dem Hotel den ersten doppelten Espresso getrunken hatte. Christiane
     nahm beim zweiten Läuten ab.
    »Ich habe Ihren Vater gefunden«, sagte er.
    Er hörte ihr Atmen über die lange Distanz.
    »Warum kommt er nicht zurück?«, fragte sie tonlos.
    Dengler wartete eine Weile, bevor er sagte: »Ich weiß es nicht; er lebt hier offenbar äußerst zurückgezogen und gut gesichert.
     Ich weiß nicht, warum er sich hier so sehr schützen muss.«
    »Ich komme«, sagte sie leise.
    Und dann lauter: »Ich rufe Sie an und sage Ihnen, wann mein Flugzeug landet. Holen Sie mich ab?«
    »Sicher«, sagte Dengler und trennte das Gespräch.
    Kurz darauf erschien Mario. Er trug einen weißen Anzug und hatte sich frisch rasiert. Er wirkte italienischer, als Dengler
     ihn je gesehen hatte. Sie gingen in das kleine Café neben dem Hotel. An einem langen Tisch saß Olga bereits und frühstückte.
     Sie empfing die beiden Freunde mit einem Wangenkuss.
    Dengler bestellte gerade einen zweiten doppelten Espressomit einem Schluck Milch, als sein Handy klingelte. Es war Christiane.
    »Ich komme heute Abend um 19:05 Uhr in Mailand an, auf
    dem Flughafen Malpensa.«
    »Ich hole Sie ab«, sagte er.
    Olga hatte ihn beobachtet. »Fahren wir?«, fragte sie.
    Dengler nickte, und dann gingen sie zum Saab.
    * * *
    Die Fahrt zum Comer See verlief ruhig. Mario hörte keine Musik mehr, sondern starrte ernst

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