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Die blaue Liste

Die blaue Liste

Titel: Die blaue Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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Christiane Stein blieb sitzen und starrte weiter geradeaus.
    »Kommen Sie«, sagte Dengler.
    Nun stieg sie aus, und ihm kam die junge Frau vor, als handele sie in Trance. Sie schien ihn nicht mehr zu sehen. Schweren
     Schrittes ging sie auf den Zaun um Steins Haus zu. Sie wies auf die Hofeinfahrt, deren Tor geschlossen war.
    »Hier wohnt er?«
    »Ja.«
    Sie wendete sich um und schritt den Weg hinab. Dengler rannte ein paar Schritte, um zu ihr aufzuschließen. Auf der anderen
     Seite des Zauns hörte er Schnaufen und unterdrücktes Kläffen – die Hunde folgten ihnen, aber schlugen nicht an. Schweigend
     umrundeten sie das Anwesen und schweigend fanden sie zum Saab zurück. Christiane stieg wieder in den Wagen. Dengler setzte
     sich hinter das Steuer und ließ den Motor an. Er wendete an der Toreinfahrt und fuhr zurück. Die Hunde bellten nicht.
    Der Alfa bog hinter ihnen aus einem Forstweg und folgte ihnen.
    * * *
    Die Tür zum Hotel stand offen. Den Nachtportier sah Deng-ler nirgends. Christiane ließ sich in den Sessel neben dem Eingang
     fallen.
    »Ich muss etwas trinken«, sagte sie.
    Dengler stieg die Treppe neben dem Eingang hinunter. Die Tür zum Restaurant war verschlossen, aber er schob den Riegel mit
     seiner Scheckkarte nach innen und ging hinein. Er sah die Flaschen an der Bar und griff sich eine der Chiantiflaschen, die
     vor dem Spiegel standen. Neben der Spüle lag ein Korkenzieher. Er nahm die Weinflasche und den Korkenzieher und stieg die
     Stufen hinauf, zurück in die Lobby. Christiane saß in der gleichen Haltung im Sessel, wie er sie verlassen hatte. Er winkte
     mit der Flasche, sie stand auf und kam zu ihm hinüber. Dengler hatte bereits den Aufzug gerufen, und gemeinsam fuhren sie
     hinauf in den zweiten Stock. In seinem Zimmer öffnete er den Rotwein und goss Christiane ein Glas ein. Sie nahm es schweigend
     und setzte sich in den Sessel vor dem kleinen Tisch. Er schenkte sich ebenfalls ein Glas ein und ließ sich auf die kleine
     Couch fallen.
    Sie schwiegen. Christiane trank.
    »Was sind Sie eigentlich für ein Mensch, Dengler?«, sagte sie. »Das möchte ich manchmal auch wissen.«
    »Sie treten mit einem Schlag in mein Leben und werfen alles um. Ich weiß nicht, ob ich mir wünschen sollte, ich hätte Sie
     schon früher kennen gelernt, oder ob es für mich besser wäre, ich hätte Sie nie getroffen.«
    Sie sah ihn mit ihrem marineblauen Blick an.
    »Ich weiß es auch nicht.«
    »Aber ich möchte doch wissen, was das für ein Mann ist, der mein Leben so durcheinander schüttelt.«
    Sie stand auf, immer noch mit dem Glas in der Hand, und ging um die Couch herum, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Dann blieb
     sie hinter ihm stehen.Dengler rührte sich nicht. Er spürte die Frau hinter seinem Rücken wie ein angenehmes Gewicht. Er hatte Angst, sich umzuwenden.
     Auf einmal lagen ihre Arme um seinen Hals, und ihr Gesicht ruhte in seinen Haaren. Die hellen Ärmel ihres sommerlichen Leinenanzugs
     schimmerten vor seinen Augen, er roch ihren Duft. Sich nicht rühren! Sie nahm ihre rechte Hand und streichelte sanft seine
     Wange, dann glitten ihre Finger seinen Nasenrücken entlang, prüften die Haut seiner Stirn und wanderten zurück zu seiner Wange.
     Auch ihre linke Hand streichelte sanft sein Gesicht. Immer noch bewegte er sich keinen Millimeter, sondern lauschte dem verwirrenden
     Gemisch von Duft und Berührung.
    Sie fuhr sanft der geraden Linie seines Nacken entlang und schritt, ohne die Berührung zu unterbrechen, um die Couch herum.
     Sie setzte sich auf seinen Schoß und nahm sein Gesicht in beide Hände. Er sah ihre Augen, die ihn immer noch fragend ansahen,
     aber schon mit einem feuchten Schleier überzogen waren. Nun nahm er sie in seine Arme und beide küssten sich.
    Dann glitten sie hinüber ins aufgeschlagene Bett.
    * * *
    Dengler erwachte früh. Er lag nackt auf dem Rücken. Christiane schmiegte sich an seine rechte Seite, den Kopf hatte sie in
     seiner Halskuhle geborgen. Sie schlief und atmete gleichmäßig sanft.
    Nennt man so etwas eine Offenbarung? Sie hatten sich in der Nacht erforscht wie zärtliche Entdeckungsreisende, und jede Auffindung
     übertraf die eigene Erwartung an Schönem und Unerwartetem. Es war, als hätten sie sich schon lange gekannt, ohne jedes Missverständnis
     liebten sie sich, bis es hell wurde.
    Dengler lag still und betrachtete die Frau in seinem Arm. IhrGesicht wirkte jung, ihr Zutrauen, ausgedrückt in der schläfrigen Umarmung, rührte ihn. In

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