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Die blaue Liste

Die blaue Liste

Titel: Die blaue Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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befestigt, und dann könne die Domina das Seil anziehen.
     »Das kann man dann so weit 'naufziehe, wie man will«, sagte der Mann, und der Stolz über seine Erfindung stand ihm ins Gesicht
     geschrieben. »Wer's halt mag«, sagte seine Frau.
    Das Merkwürdigste war jedoch die Werkstatt, die drei Frauen in einem Dorf auf der Schwäbischen Alb betrieben. Christiane filmte
     einen Mann, einen Schweden, aus Stockholm angereist, der nackt auf einer Liege im ausgebautenKeller ihres Hauses lag, eine Sauna war im Hintergrund zu sehen, Ruheliegen mit scheußlichen braunen Blumenmustern, Plastikblümchen
     an den Wänden. Dann kam die jüngste der drei Frauen ins Bild, kaum älter als fünfundzwanzig, mit einem Bastkörbchen, auf dem
     kleine rote Herzchen aus Filz aufgeklebt waren. Sie lächelte in die Kamera, ein bisschen scheu, vielleicht sogar verlegen,
     dann öffnete sie das Körbchen und zog Nadel und Faden heraus. Sie hob beides dem Aufnahmegerät entgegen, wie ein Zauberer,
     der dem Publikum seinen Zylinder zeigt, damit sich jedermann überzeugt, hier ist kein Platz für ein Kaninchen oder eine weiße
     Taube.
    Dann ging sie langsam zu dem liegenden Mann hinüber und setzte sich auf einen Stuhl neben ihn, eine braune Flasche kam ins
     Blickfeld.
    »Alkohol«, sagte Christiane.
    Die Frau hielt die Flasche in der rechten Hand, schüttete mit drei kräftigen Bewegungen etwas davon in die linke und rieb
     den Schwanz des Mannes damit ein. »Desinfizierung«, sagte Christiane.
    Dann nahm sie die Nadel in ihre rechte Hand und den Schwanz des Schweden in die linke und begann zu nähen, Christiane zoomte
     den Vorgang näher heran, kein Zweifel, sie nähte diesem Typen die Vorhaut zusammen. Und während der Kerl stöhnte, wuchs sein
     Schwanz, es war merkwürdig, er bekam davon einen Steifen. Die Öffnung wurde immer kleiner, es fehlten noch ein oder zwei Stiche,
     dann kam er, er spritzte durch den verbliebenen Spalt wie Moby Dick, der weiße Wal.
    Hans-Jörg Mittler sah dem Video fasziniert zu, und erst jetzt zum Schluss bemerkte er, Christiane schaute nicht auf den Fernseher,
     sondern beobachtete ihn. Es irritierte ihn, und er verpasste das Schlussinterview mit der älteren Frau, einem richtig gutmütigen
     Omatyp, die stolz in die Kamera verkündete: »Mir nähet scho in de dritte Generation und aus deganze Welt kommt Kundschaft.« Er wollte lachen, aber als er Christianes Blick sah, blieb er lieber stumm.
    »Auch alles so Managertypen«, sagte sie, »kommen aus der ganzen Welt, hast du ja gehört. Ist ein richtiger Exportartikel,
     das Nähen, obwohl es doch der heimischen Textilindustrie so schlecht geht.«
    »Was heißt denn ›auch‹?«, fragte er ärgerlich und stand auf. Sie griff blitzschnell zu, ein prüfender Griff zwischen seine
     Beine, und – verdammt nochmal – er hatte auch einen Steifen; nicht gerade hammerhart, aber doch eine spürbare Erektion, jedenfalls
     eine für Christianes forschende Hand deutlich spürbare Schwellung.
    Er ärgerte sich, denn der Film machte ihn nicht an, nicht wirklich. Er konnte es sich nicht erklären, aber sein Schwanz war
     groß geworden. Schnell verdrückte er sich ins Bad und verschwand unter seiner Luxusdusche.
    Sie sprachen nie mehr über die Sache, aber Christianes Ton war anders geworden seitdem, desillusionierter. Daran musste er
     denken, als er unter der Dusche stand. Er fühlte sich schuldig. Er musste es gutmachen, irgendwie.
    Deshalb hatte er diesen Privatdetektiv engagiert. Es war sein Wiedergutmachungsgeschenk. Nun stand er unter der Dusche und
     wusste nicht, wie er es überreichen sollte.

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    15
    Das warme Frühlingswetter ging gerade zu Ende. Im März ist das Wetter normalerweise unbeständig, und es wechseln die regnerischen
     mit den sonnigen Phasen. Zwei Tage gab es nun Hoffnung auf Frühling, laue Luft und Wärme, doch nun folgte ein Wolkenbruch
     und machte alles zunichte.
    Der Weg vom Hauseingang bis zur Tür des Basta zählte nur wenige Schritte, aber Dengler betrat völlig durchnässt das Lokal und wischte sich mit dem Ärmel das Wasser aus
     dem Gesicht, um etwas zu sehen. Sein Hemd klebte am Körper, und die nassen Jeans klammerten sich kalt um seine Beine.
    Er wollte sich gerade umdrehen, wollte wieder hinaufgehen, um sich trockene Sachen anzuziehen und vielleicht sogar einen Pullover
     aus einer der unausgepackten Kisten zu holen, als ihn eine Hand am Arm packte und in den hinteren Teil des Raumes zog.
    »Wollen Sie Ihr aktuelles

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