Die blaue Liste
Schauspielerin!«
Der Freund fand, er müsse etwas unternehmen.
Mario stellte eine große Schüssel mit Austern auf den Tisch. Aus dem Schrank, auf dessen Tür er Josef Beuys in Schwarzweiß
gemalt hatte, entnahm er ein Austernmesser und einen Kettenhandschuh, den er sich über die linke Hand zog.
Er legte eine Auster auf den Tisch, hielt sie mit der gepanzerten Linken fest, stemmte das Messer in das Scharnier amEnde der Muschel, drehte das Messer, sobald es eingedrungen war, und sprengte sie in zwei Teile.
Mario öffnete für jeden zwölf Austern.
Sie gaben Zitronensaft darüber, ein bisschen schwarzen Pfeffer, und Dengler nahm einen Spritzer Tabasco, um den harten Salzgeschmack
zu dämpfen.
Sie saßen eine Weile schweigend, tranken den Aligoté und schlürften die Austern.
»Weißt du«, nahm Mario den Gesprächsfaden wieder auf, »schöne Frauen mögen keine anderen Leute. Sie hassen sie nicht gerade,
aber sie mögen sie nicht.«
Dengler nahm die letzte Auster und führte sie an den Mund, sie schmeckte nach Meer, Salz, nach Freiheit, wie ein Schuss Urnatur
öffnete sie ihm die Augen, öffnete überhaupt alles, und es fiel ihm leichter zu atmen. Er sah zu Mario. Auch ihm schien die
Vorspeise Kraft zu geben und Mut. Frauen denken oft an Sperma, wenn sie Austern schlürfen, sagte einer von beiden.
Mario öffnete eine neue Flasche Aligoté.
»Jetzt müssen wir den Nachtisch zubereiten«, sagte Mario, »denn er muss noch eine Weile kalt gestellt werden und ziehen.«
Dengler folgte ihm in die Küche. Mario hatte bereits alles vorbereitet. In einer italienischen Schale lagen eine Gewürznelke,
eine halbe Vanilleschote, ein halber Sternanis, sechs Eier und einige Zimtstangen.
Mario wirbelte in der Küche umher, kochte die Zutaten zusammen mit einer Hand voll Zucker auf, ließ dann das Ergebnis durch
ein Sieb fließen und stellte den so gewonnenen Sirup zum Abkühlen auf den Balkon.
Nun setzten sie sich wieder an den Tisch. Mario zog zwei Orangen aus einem Einkaufsnetz. Er nahm die erste und schnitt oben
und unten die Kappen ab. Dengler nahm die zweite Apfelsine und tat es ihm nach.
»Fahre mit dem Messer so an der Haut entlang, dass dieSchale abgeht und dir das Fleisch entgegentritt. Du siehst dann, wo die Trennhäute und das Fruchtfleisch sind.«
Sie trennten die Filets heraus, indem sie mit dem Messer die Trennwände der Orange entlangfuhren. Den auslaufenden Saft fingen
sie in zwei Schalen auf.
Während Dengler noch an seiner Apfelsine schnitt, ging Mario zurück in die Küche und erwärmte in der Pfanne Zucker, bis er
karamellisierte, hellbraun und flüssig wurde. Dengler brachte nun die restlichen Orangenfilets. Sie legten sie in die Pfanne
und rührten den Saft hinzu. Sofort kristallisierte die Flüssigkeit, aber Mario rührte weiter, und bald wurde die Masse wieder
weich, ein Schluck Weißwein zum Ablöschen, ein bisschen Grand Marnier, dann das Ganze aus der Pfanne in einen Topf und hinaus
auf den Balkon zum Abkühlen.
»Das wird wunderbar«, sagte Mario und drehte den Korkenzieher in die dritte Flasche Aligoté.
»Die schlimmste Art von Schönheit ist die unnahbare Schönheit«, nahm Mario erneut den Faden auf, »diese Art von unnahbarer
Eleganz – ist nur ein anderer Ausdruck für Entwurzelung. Stammt leider nicht von mir, hab' ich irgendwo gelesen.«
Er schlug Georg leicht auf die Schulter. Sie gingen in die Küche. Während Mario den Teig für die Ravioli alla Genovese ausrollte,
bereitete Dengler die Füllung vor. Er kochte Mangold- und Basilikumblätter drei Minuten in Salzwasser und brauste sie dann
kalt ab und ließ sie in einem Sieb abtropfen. Dann legte er Kalbsbries in das kochende Wasser, fünf Minuten, und schreckte
es kalt ab, nahm ein Messer und schnitt Häute und Gefäße heraus. Dann das Fleisch würfeln, Basilikum und den Mangold schneiden
und dazugeben.
»Hast du ein altes Brötchen?«
Brösel erzeugen. Den Rest in Kalbsfonds einweichen.
Sie arbeiteten schweigsam vor sich hin. Zum Abschluss würzte Dengler die Füllung mit je einem halben Teelöffel Majoran, Salz
und Pfeffer.Dann verteilten sie mit einem Teelöffel das Gemisch auf den Teig. Mario fuhr mit einem Teigrädchen hin und her und schnitt
Streifen aus dem Teig, nicht länger als fünf Zentimeter. Sie drückten die Ränder über der Füllung zusammen. Dengler sammelte
die Ravioli ein, während Mario bereits Wasser aufgesetzt hatte.
Sie warfen die Ravioli in das sprudelnde
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