Die blaue Liste
Kunden«, sagte sie.
»Bitte rufen Sie Frau Stein an. Ich handele in ihrem Auftrag. Haben Sie ihre Telefonnummer?«
Die Frau nickte missmutig und verschwand hinter dem Vorhang.
Dengler sah sich im Laden um. Es gab einige Töpfe mit jungen Osterglocken und einige Primeln. Sonst sah er keine Frühlingspflanzen.
Keine Spur von Ringelblumen.
Nach einigen Minuten erschien die Frau wieder.
»Ja, das ist so«, sagte sie. »Wir haben die Blumen von einem Großhändler auf dem Blumenmarkt bekommen. Zwei Bünde und einen
Umschlag mit dreißig Euro. Damit wir einen schönen Strauß machen und ihn anliefern sollten. An die Adresse von Frau Stein.«
»Stand ein Absender auf dem Umschlag?«
Die Frau schüttelte den Kopf.
»Wissen Sie, wer den Auftrag gegeben hat?«
Sie schüttelte erneut den Kopf.»Wie heißt der Händler, der Ihnen das Geld und die Blumen gegeben hat?«
»Der Roth, der Blumen Roth auf dem Großmarkt.« Dengler notierte sich den Namen.
»Da müssen Sie aber früh aufstehen, wenn Sie den treffen wollen«, sagte sie.
Dengler sah sie fragend an.
»Um fünf macht der Markt auf.«
»Fiel Ihnen irgendetwas Besonderes an den Blumen auf?«, fragte er.
»Schon«, sagte sie zögernd.
Dengler wartete.
»Es waren zwei Bünde«, sagte die Frau, »und beide waren außergewöhnlich hochwertig.«
Sie bemerkte Denglers fragenden Blick: »Die Blätter an den Stielen waren sauber entfernt, die Stiele gleich dick und lang,
die Blüten alle gut und gleich groß. So was fällt auf, die gleiche Qualität. Man hat ja einen Blick für so was.«
Dengler bedankte sich und verließ den Laden.
Die Klingel schrillte erneut laut und hässlich.
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36
Um kurz nach eins kam Dengler wieder im Basta an. Er nahm zwei Stufen auf einmal und rannte pfeifend über den kleinen Flur zu seiner Wohnung. Bevor er öffnete, lauschte
er, ob ein Geräusch von oben, von Olgas Wohnung nach unten drang. Er hörte nichts und ging vorsichtig die Treppe hoch.
Er klopfte.
»Herein!«
Er öffnete die Tür. Olga saß hinter ihrem Rechner, blickte aber nicht auf den Bildschirm, sondern in ein Buch, das aufgeschlagen
neben ihr lag.
»Störe ich?«
»Nein, kommen Sie nur herein.«
»Ich möchte mich noch einmal bei Ihnen bedanken. Sie ahnen nicht, wie sehr Sie mir geholfen haben. Nehmen Sie eine Einladung
zum Essen an?«
Sie stand auf. Kam auf ihn zu.
»Wissen Sie was«, sagte sie, »ich heiße Olga. Wenn wir Nachbarn sind und schon gemeinsam in fremde Rechner eingedrungen sind,
können wir uns auch duzen.«
»Gerne, ich heiße Georg.«
»Der heilige Georg, der den Drachen tötet.«
»Genau der.«
Er überlegte, ob er sie nun küssen sollte.
»Und gehen Sie mit... sorry, gehst du mit mir essen?«
»Gerne. Wohin?«
»Wie du willst: zum Fröhlich oder zum Vetter oder wo immer Sie hin wollen.«
Verschmitzt fügte er hinzu: »Vielleicht heute Abend?«
»Nein, heute Abend habe ich Martin versprochen, ihm bei den Horoskopen zu helfen. Er schreibt nun auch für Karl ..«
»Karl?«»Ja, das ist so ein Macho-Männermagazin. ›Wie bekomme ich innerhalb von zwei Minuten zwei Frauen ins Bett‹, in diesem Stil
ist das Blatt. Martin findet nicht den richtigen Ton, und deshalb muss eine Frau ran, die was von Machos versteht. Aber vielleicht
können wir ja übermorgen ..«
»Nein, ich verreise, jedoch nur für ein paar Tage.«
Nun erzählte er ihr von der Suche nach dem verschwundenen Mann, von seiner Tochter und seiner Hoffnung, dieser Mann würde
sich ein Konzert des Freiburger Barockorchesters ansehen.
Olga setzte sich und hörte ihm zu.
»Und was war mit der Bekanntschaftsanzeige?«, fragte sie.
Dengler erzählte ihr von dem »Fall« Föll.
»Und haben Sie... hast du die Frau an ihren Mann verraten?«
»Nein, mir schien es für beide besser, wenn es so bleibt, wie es ist.«
»Bravo«, sagte sie.
»Bist du wirklich verheiratet?« Sie sah ihn überrascht an.
»Soll diese Frage bedeuten: Bist du noch zu haben?«
»Ich weiß nicht, zunächst bedeutet sie, ob du tatsächlich verheiratet bist.«
»Ja.«
»Und wo ist dein Mann?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe ihn schon lange nicht mehr gesehen.«
Kleine Pause.
»Ich bin auch nicht gerade scharf darauf, ihn wiederzusehen.«
Sie sah Dengler an: »Weißt du, Georg, mein Leben gehorchte nicht immer den üblichen Naturgesetzen.«
»Ich kann es mir denken.« Er ging auf sie zu, doch sie stand schnell auf.
»Melde dich, wenn du wieder da bist«, sagte sie.
Sie
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