Die blaue Liste
schon damals lieber Rockmusik.«
Sie hielt ihm ihr leeres Glas hin.
Er nahm die Flasche, und der Champagner spritzte in ihr Glas. Er wartete, bis der Schaum sich setzte, und füllte nach.
Sie nahm einen Schluck und schaute ihn an.
»Ist das wichtig?«
»Vielleicht; Ihre Mutter erklärte mir, dass er besonders für das Freiburger Barockorchester schwärmte.«
»Und?«
Sie hielt ihm erneut ihr Glas hin, er schenkte nach.
»Sehen Sie«, er räusperte sich, »dieses Orchester ist gerade auf Tournee. Vielleicht sieht sich Ihr Vater dieses Ensemble
irgendwo an?«
»Das wird teuer, oder?«
»Ja, Reisekosten, Eintritt, und vor Ort muss ein Fahrzeug zur Verfügung stehen, damit ich Ihrem Vater folgen kann – falls
er auftaucht.«
»Wo spielen die denn?«
»Sie geben noch zwei Konzerte, eines in Cannes und das Abschlusskonzert in Siena – die Auftritte in Basel, Budapest und Wien
sind leider schon vorüber.«
»Oh, sonst wär's ja noch teurer.«
Sie hielt ihm wieder den leeren Sektkelch entgegen. Ihmschien, dass ihre Hand etwas schwankte, deshalb hielt er ihren Handrücken fest, während er ihr nachschenkte. Eine feierliche
Ruhe entstand. Erst als er sie losließ und sie einen Schluck getrunken hatte, verflog diese kurze Stimmung.
»Machen Sie das«, sagte sie.
»Vielleicht wollen Sie mitkommen?«, fragte Dengler.
Nun lachte sie.
»Das wäre vielleicht sogar sehr schön – Cannes, Siena. Sonne. Musik. – Aber es geht nicht. Ich sitze ab morgen im Schneideraum
– muss arbeiten.«
Sie stand auf.
»Vielleicht«, sagte sie, »gibt es ja jemand anderen, der Sie gerne begleiten würde.«
»Ja, ein Freund, der etwas Familiäres am Comer See zu erledigen hat.«
»Keine Frau?«
Sie leckte mit der Zungenspitze einen Tropfen Champagner vom Glasrand und sah ihn neugierig an.
»Nein, im Augenblick nicht«, sagte Dengler und dachte an Olga.
Einen Augenblick trat Stille zwischen ihnen ein. »Mögen Sie Van Morrison?«
Er nickte, und sie legte eine Platte auf:
Well, it's a marvellous night for a Moondance
With the stars up above in your eyes
Dengler sagte: »Schöne Musik, aber verraten Sie mir, woher haben Sie eigentlich diesen wunderbaren Strauß Ringelblumen?«
»Das möchten Sie wohl wissen, wie?«
Sie schwankte ein wenig, als sie auf ihn zukam.
»Ja, es ist viel zu früh für Ringelblumen. Es ist März. In Deutschland blühen sie noch nicht.«
»Ich habe einen heimlichen Verehrer. Jedes Jahr schickt er mir diese Sträuße.«
»Kennen Sie ihn?«»Leider, leider nicht. Hans-Jörg ist schrecklich wütend. Ich aber würde ihn gerne kennen lernen. Aber er ist so schrecklich
– anonym.«
Sie ist süß, dachte er, auch wenn sie etwas unsicher geht.
»Hat Ihr Verehrer Ihnen die Blumen vor die Haustür gelegt?«
»Nein, das Blumenhaus Mayer, unten in der Nähe des Lindenmuseums, liefert sie immer. Aber sie brauchen dort gar nicht zu fragen,
die wissen auch nicht, von wem der Auftrag kommt.«
»Aber vielleicht bekomme ich es heraus«, sagte Dengler und notierte sich die Anschrift des Blumenladens in seinem Notizbuch.
Christiane stützte sich mit der rechten Hand auf der Stuhllehne ab.
»Warum wollen Sie das denn wissen – interessiert Sie denn, wer meine Verehrer sind?«
»Calendula sind ... – waren die Lieblingsblumen Ihres Vaters.«
»Und die Lieblingsblumen meiner Mutter! Und es sind auch meine Lieblingsblumen. Deshalb bekam ich sie doch, Herr Detektiv.«
Sie schwankte leicht, als sie in die Küche ging. »Möchten Sie Kaffee oder Tee?«, rief sie.
»Kaffee.«
»Vollkornbrot oder Baguette?«
»Vollkornbrot.«
»Käse oder Marmelade?«
»Käse.«
»So langsam lerne ich Sie kennen.«
Dann frühstückten sie.
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35
Die Ladentür klingelte anhaltend, als Georg Dengler das Blumengeschäft Mayer betrat. Der typisch feucht-schwüle Geruch – wie
in einem Gewächshaus. Rechts und links von ihm ragten Fertiggestecke aus engen braunen Töpfen. Im hinteren Teil des Ladens
standen Schnittblumen in blauen Vasen, einige in Cellophan eingehüllt.
Er trat an eine helle Theke aus Kiefernholz und wartete.
Nach einer Weile trat eine junge Frau in einer dunkelblauen Kittelschürze durch einen Vorhang in den Verkaufsraum und fragte
ihn nach seinen Wünschen.
»Ich suche im Auftrag von Frau Christiane Stein nach dem Absender der Ringelblumen, die Sie ihr vor ein paar Tagen lieferten«,
sagte er.
Die Frau blinzelte ihn misstrauisch an.
»Wir sagen nichts über unsere
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