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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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bis zum Heiligen Abend fertig sein mit seiner Abrechnung; denn für den Heiligen Abend erhoffte ich mir ein neues, unbelastetes Blech.
    Ich schaffte es. Am Tage vor dem vierundzwanzigsten Dezember konnte ich mir ein zerknülltes, haltlos schepperndes rostiges, an ein zusammengefahrenes Auto erinnerndes Etwas vom Leib und auch von der Seele nehmen; es war, wie ich hoffte, nun auch für mich die Verteidigung der Polnischen Post endgültig zusammengeschlagen.
    Nie hat ein Mensch — wenn Sie bereit sind, in mir einen Menschen zu sehen — ein enttäuschenderes Weihnachtsfest erlebt als Oskar, dem unterm Weihnachtsbaum eine Bescherung zuteil wurde, der es an nichts mangelte, außer an einer Blechtrommel.
    Ein Baukasten lag da, den ich nie geöffnet habe. Ein Schwan zum Schaukeln sollte ein ganz besonderes Geschenk darstellen und mich zum Lohengrin machen. Wohl um mich zu ärgern, hatte man drei oder vier Bilderbücher auf den Gabentisch zu legen gewagt. Allein brauchbar wollten mir ein Paar Handschuhe, Schnürstiefel und ein roter Pullover, den Gretchen Scheffler gestrickt hatte, vorkommen. Bestürzt ließ Oskar den Blick vom Baukasten zum Schwan gleiten, starrte den drollig gemeinten Teddybären der Bilderbücher auf die allerlei Instrumente haltenden Pfoten. Da hielt doch solch ein niedlich verlogenes Biest eine Trommel, sah aus, als könnte es trommeln, als finge es sogleich an mit einer Trommeleinlage, als wäre es schon mitten drin in der Trommelei; und ich hatte einen Schwan, aber keine Trommel, hatte wahrscheinlich mehr als tausend Bauklötze, doch keine einzige Trommel, hatte Fausthandschuhe für enorm frostige Winternächte, aber nichts in den Handschuhfäusten, das ich rund, glatt, eiskalt gelackt und blechern in die Winternacht hinaustragen durfte, damit der Frost etwas Heißes zu hören bekam!
    Oskar dachte sich: Matzerath hält das Blech noch versteckt. Oder Gretchen Scheffler, die mit ihrem Bäcker zum Vertilgen unserer Weihnachtsgans gekommen ist, sitzt darauf. Sie wollen erst meine Freude an dem Schwan, an Bauklötzen und Bilderbüchern genießen, bevor sie mit dem wahren Schatz herausrücken. Ich gab nach, blätterte wie ein Narr in den Bilderbüchern, schwang mich auf den Rücken des Schwanes und schaukelte, zutiefst Abscheu empfindend, wenigstens eine halbe Stunde lang. Dann ließ ich mir noch den Pullover trotz überheizter Wohnung anpassen, schlüpfte mit Gretchen Schefflers Hilfe in die Schnürstiefel — inzwischen waren noch die Greffs eingetroffen, weil die Gans für sechs Personen gedacht war — und nach dem Verschlingen jener mit Backobst gefüllten, vom Matzerath meisterhaft zubereiteten Gans, während des Nachtisches — Mirabellen und Birnen — verzweifelt ein Bilderbuch haltend, das Greff mir zu den vier anderen Bilderbüchern gelegt hatte, nach Suppe, Gans, Rotkohl, Salzkartoffeln, Mirabellen und Birnen, angeatmet von einem Kachelofen, der es in sich hatte, sangen wir alle — und Oskar sang mit — ein Weihnachtslied und noch eine Strophe, freue Dich, und Ohtannenbaumohtannenbaumwiegrünsinddeineklingglöckchenklinge-lingelingallejahrewieder und wollte nun endlich — draußen bemühten sie schon die Glocken — meine Trommel wollte ich haben — die betrunkene Bläsergemeinschaft, zu der früher auch der Musiker Meyn gehört hatte, blies, daß die Eiszapfen von den Fenstergesimsen... ich aber wollte haben, und sie gaben nicht, rückten nicht raus damit, Oskar: »Ja!« die anderen: »Nein!« — da schrie ich, ich hatte schon lange nicht mehr geschrien, da feilte ich mir nach längerer Pause wieder einmal meine Stimme zu einem spitzen, Glas ritzenden Instrument und tötete nicht etwa Vasen, nicht Biergläser und Glühbirnen, keine Vitrine schnitt ich auf, nahm keiner Brille die Sehkraft — vielmehr hatte meine Stimme etwas gegen alle am Ohtannenbaum prangenden, Feststimmung verbreitenden Kugeln, Glöckchen, leichtzerbrechlichen Silberschaumgebläse, Weihnachtsbaumspitzen: klingklang und klingelingeling machend zerstäubte der Christbaumschmuck. Auch lösten sich überflüssigerweise mehrere Kehrbleche Tannennadeln. Die Kerzen aber brannten still und heilig weiter, und Oskar bekam trotzdem keine Blechtrommel.
    Es fehlte dem Matzerath jede Einsicht. Ich weiß nicht, ob er mich erziehen wollte oder ob er schlicht nicht daran dachte, mich rechtzeitig und ausgiebig mit Trommeln zu versorgen. Alles trieb auf die Katastrophe zu; und nur der Umstand, daß gleichzeitig mit meinem drohenden

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