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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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fast unauffälligen Nase zeigte, waren ihrem eher kleinen als mittelgroßen Körper etwas zu breite Schultern, schon unter dem Arm ansetzende volle Brüste und ein dem Becken entsprechendes, reiches Gesäß beigegeben, das hinwiederum von zu schlanken, dennoch kräftigen, unterhalb der Schamhaare Durchblick gewährenden Beinen getragen wurde.
    Vielleicht war Maria damals eine Spur x-beinig. Auch wollten mir ihre immer geröteten Hände im Gegensatz zur ausgewachsenen und endgültig proportionierten Figur kindlich, die Finger wurstig vorkommen. Diese Patschhände hat sie bis heute nicht ganz verleugnen können. Ihre Füße jedoch, die sich damals in klobigen Wanderschuhen, etwas später in ihr kaum angemessenen, altmodisch eleganten Schühchen meiner armen Mama abmühten, haben trotz des ungesunden Schuhwerks aus zweiter Hand nach und nach die kindliche Röte und Drolligkeit verloren und sich modernen Schuhmodellen westdeutscher und sogar italienischer Herkunft angepaßt.
    Maria sprach nicht viel, sang aber gerne beim Abwaschen des Geschirrs und gleichfalls beim Abfüllen des Zuckers in blaue Pfund-und Halbpfundtüten. Nach Geschäftsschluß, wenn Matzerath abrechnete, auch sonntags, und sobald sie sich ein halbes Stündchen Ruhe gönnte, griff Maria zu ihrer Mundharmonika, die ihr der Bruder Fritz geschenkt hatte, als er eingezogen wurde und nach Groß-
    Boschpol kam.
    Maria spielte ziemlich alles auf der Mundharmonika. Wanderlieder, die sie während der BdM— Heimabende gelernt hatte, Operettenmelodien und Schlager, die sie dem Radio und ihrem Bruder Fritz ablauschte, den Ostern vierzig eine Dienstreise für einige Tage nach Danzig brachte. Oskar erinnert sich, daß Maria »Regentropfen« mit Zungenschlag spielte und auch »Der Wind hat mir ein Lied erzählt« aus der Mundharmonika hervorlockte, ohne dabei Zarah Leander nachzuahmen. Niemals jedoch holte Maria ihre »Hohner« während der Geschäftszeit hervor. Selbst wenn keine Kundschaft kam, enthielt sie sich der Musik und schrieb, kindlich runde Buchstaben setzend, Preisschildchen und Warenlisten.
    Wenn es sich auch nicht übersehen ließ, daß sie es war, die dem Geschäft vorstand, die einen Teil der Kundschaft, der sich nach dem Tode meiner armen Mama bei der Konkurrenz angemeldet hatte, zurückgewann und zu festen Kunden machte, behielt sie Matzerath gegenüber eine an Unterwürfigkeit grenzende Hochachtung bei, die jenen, der ja immer schon an sich geglaubt hatte, nicht einmal verlegen werden ließ.
    »Schließlich habe ich das Mädchen ins Geschäft geholt und angelernt«, lautete sein Argument, wenn der Gemüsehändler Greff und Gretchen Sdieffler sticheln wollten. So einfach waren die Gedankengänge dieses Mannes, der eigentlich nur während seiner Lieblingsbeschäftigung, während des Kochens differenzierter, ja, sensibel und deshalb beachtenswert wurde. Denn das muß Oskar ihm lassen: seine Kassler Rippchen mit Sauerkraut, seine Schweinerneren in Senfsoße, seine panierten Wiener Schnitzel und, vor allen Dingen, sein Karpfen mit Sahne und Rettich ließen sich sehen, riechen und schmecken. Wenn er Maria im Geschäft auch nicht allzuviel beibringen konnte, weil erstens das Mädchen einen angeborenen Geschäftssinn für Handel mit kleinen Beträgen mitbrachte, weil zweitens Matzerath von den Finessen des Handels über den Ladentisch kaum etwas verstand und sich allenfalls für den Einkauf auf dem Großmarkt eignete, das Kochen, Braten und Dünsten jedoch brachte er Maria bei; denn wenn sie auch während zwei Jahren Dienstmädchen bei einer Beamtenfamilie in Schidlitz gewesen war, konnte sie, als sie bei uns anfing, nicht einmal Wasser zum Sieden bringen.
    Bald durfte es Matzerath ähnlich wie zu Lebzeiten meiner armen Mama halten: er regierte in der Küche, steigerte sich von Sonntagsbraten zu Sonntagsbraten, konnte sich glücklich und zufrieden stundenlang beim Abwaschen des Geschirrs aufhalten, besorgte so nebenbei die während der Kriegsjahre immer schwieriger werdenden Einkäufe, Vorbestellungen und Abrechnungen bei den Firmen auf dem Großmarkt und beim Wirtschaftsamt, pflegte mit einiger Gerissenheit den Briefwechsel mit dem Steueramt, dekorierte nicht einmal ungeschickt, vielmehr Phantasie und Geschmack beweisend, alle vierzehn Tage das Schaufenster, erledigte verantwortungsbewußt seinen Parteikram und war, da ja Maria unerschütterlich hinter dem Ladentisch stand, voll und ganz beschäftigt.
    Sie werden fragen: was sollen diese Vorbereitungen,

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