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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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Untergang auch im Kolonialwarengeschäft ein immer größeres Durcheinander kaum zu verbergen war, ließ mir und dem Geschäft — wie man in Notzeiten immer anzunehmen pflegt — rechtzeitig Hilfe zukommen.
    Da Oskar nicht die erforderliche Größe hatte, auch nicht gewillt war, hinter dem Ladentisch zu stehen, Knäckebrot, Margarine und Kunsthonig zu verkaufen, nahm Matzerath, den ich der Einfachheit halber wieder meinen Vater nenne, Maria Truczinski, meines armen Freundes Herbert jüngste Schwester, ins Geschäft.
    Sie hieß nicht nur Maria, sie war auch eine. Abgesehen davon, daß es ihr gelang, unsern Laden innerhalb weniger Wochen abermals in guten Ruf zu bringen, zeigte sie neben solch freundlich gestrenger Geschäftsführung — der sich Matzerath willig unterwarf — auch einigen Scharfsinn in der Beurteilung meiner Lage.
    Noch bevor Maria ihren Platz hinter dem Ladentisch fand, hatte sie mir, der ich mit dem Schrotthaufen vor dem Bauch anklagend das Treppenhaus, die über hundert Stufen auf und nieder stampfte, mehrmals eine gebrauchte Waschschüssel als Ersatz angeboten. Aber Oskar wollte keinen Ersatz.
    Standhaft weigerte er sich, auf der Kehrseite einer Waschschüssel zu trommeln. Kaum hatte jedoch Maria im Geschäft Fuß gefaßt, wußte sie gegen Matzeraths Willen durchzusetzen, daß meinen Wünschen Rechnung getragen wurde. Allerdings war Oskar nicht dazu zu bewegen, an ihrer Seite Spielzeughandlungen aufzusuchen. Das Innere solch bunt überfüllter Läden hätte mir gewiß schmerzliche Vergleiche mit dem zertretenen Laden des Sigismund Markus aufgezwungen. Maria, sanft und fügsam, ließ mich draußen warten oder tätigte die Einkäufe alleine, brachte mir, je nach Bedarf, alle vier bis fünf Wochen ein neues Blech und mußte während der letzten Kriegsjahre, da selbst die Blechtrommeln rar und bewirtschaftet wurden, den Händlern Zucker oder ein Sechzehntel Bohnenkaffee bieten, um mein Blech unter dem Ladentisch, als sogenannte UT-Ware gereicht zu bekommen. Das tat sie alles ohne Seufzen, Kopfschütteln und Augenaufschlagen, vielmehr unter aufmerksamstem Ernst und mit jener Selbstverständlichkeit, mit der sie mir frischgewaschene, ordentlich geflickte Hosen, Strümpfe und Kittel anzog. Wenn die Beziehungen zwischen Maria und mir während der folgenden Jahre auch ständigem Wechsel unterworfen waren, selbst heute noch nicht geklärt sind, die Art, wie sie mir die Trommel reicht, ist dieselbe geblieben, mag auch der Preis für Kinderblechtrommeln heute erheblich höher liegen als im Jahre neunzehnhundertvierzig.
    Heute ist Maria Abonnentin eines Modejournals. Von Besuchstag zu Besuchstag trägt sie sich eleganter. Und damals?
    War Maria schön? Sie zeigte ein rundes frischgewaschenes Gesicht, blickte kühl, doch nicht kalt aus etwas zu stark hervortretenden grauen, kurz, aber dicht bewimperten Augen, unter kräftigen dunklen, an der Nasenwurzel zusammengewachsenen Brauen. Deutlich sich abzeichnende Backenknochen, deren Haut bei starkem Frostbläulich spannte und schmerzhaft sprang, gaben dem Gesicht eine beruhigend wirkende Flächenmäßigkeit, die durch die winzige, aber nicht unschöne oder gar komische, vielmehr bei aller Zierlichkeit wohldurchgebildete Nase kaum unterbrochen wurde. Ihre Stirn faßte sich rund, maß sich niedrig und wurde schon früh durch senkrechte Grübelfalten über der bewachsenen Nasenwurzel gezeichnet. Rund und leicht gekräuselt setzte auch jenes braune Haar, welches heute noch den Glanz nasser Baumstämme hat, an den Schläfen an, um dann straff den kleinen, griffigen, wie bei Mutter Truczinski kaum einen Hinterkopf aufweisenden Schädel zu bespannen. Als Maria sich die weiße Mantelschürze anzog und sich hinter den Ladentisch unseres Geschäftes stellte, trug sie noch Zöpfe hinter ihren rasch durchbluteten, derb gesunden Ohren, deren Läppchen leider nicht frei hingen, sondern direkt, zwar kein unschönes Fältchen ziehend, aber doch degeneriert genug in das Fleisch überm Unterkiefer wuchsen, um Schlüsse über Marias Charakter zuzulassen. Später schwatzte Matzerath dem Mädchen Dauerwellen auf: die Ohren blieben verborgen.
    Heute stellt Maria unter modisch kurzgeschnittenem Wuschelkopf nur die angewachsenen Läppchen zur Schau; schützt aber die kleinen Schönheitsfehler durch große, ein wenig geschmacklose Klips.
    Genau wie Marias mit einem Griff zu fassender Kopf volle Wangen, deutliche Backenknochen, großzügig geschnittene Augen beiderseits der eingebetteten,

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