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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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kunstseidenen Bluse zu reiben.
    Wie kam es wohl, daß Maria, sobald sie die Oberkleider ablegte, sobald sich der Benzingeruch verflüchtigte, angenehm und naiv betörend nach Vanille roch? Rieb sie sich mit solch einer Wurzel ein? Gab es ein billiges Parfüm, das diese Geruchsrichtung vertrat? Oder war dieser Duft ihr so zu eigen, wie etwa eine Frau Kater Salmiakgeist ausdünstete, wie etwa meine Großmutter Koljaiczek leichtranzige Butter unter ihren Röcken riechen ließ? Oskar, der allen Dingen auf den Grund gehen mußte, ging auch der Vanille nach: Maria rieb sich nicht ein. Maria roch so. Ja, ich bin heute noch überzeugt, daß sie sich dieses ihr anhaftenden Duftes gar nicht bewußt war; denn wenn bei uns am Sonntag nach Kalbsbraten mit Stampfkartoffeln und Blumenkohl in brauner Butter ein Vanillepudding auf dem Tisch zitterte, weil ich mit dem Stiefel gegen ein Tischbein stieß, aß Maria, die für Rote Grütze schwärmte, davon nur wenig und mit Widerwillen, während Oskar bis zum heutigen Tage in diesen einfachsten und vielleicht banalsten aller Puddinge verliebt ist.Im Juli vierzig, kurz nachdem Sondermeldungen den hastig erfolgreichen Verlauf des Frankreichfeldzuges gemeldet hatten, begann die Badesaison an der Ostsee. Während Marias Bruder Fritz als Obergefreiter die ersten Ansichtspostkarten aus Paris schickte, beschlossen Matzerath und Maria, Oskar müsse an die See, die Seeluft könne seiner Gesundheit nur guttun. Maria solle mit mir während der Mittagspause — das Geschäft blieb von ein Uhr bis drei Uhr geschlossen — an den Brösener Strand, und wenn sie bis vier bliebe, sagte Matzerath, schade das auch nichts, er stehe dann und wann ganz gerne hinter dem Ladentisch und präsentiere sich der Kundschaft.
    Für Oskar wurde ein blauer Badeanzug mit draufgenähtem Anker gekauft. Maria hatte schon einen grünen mit roten Rändern, den ihr die Schwester Guste zur Einsegnung geschenkt hatte. In eine Badetasche aus Mamas Zeiten wurde ein weißer flauschiger Bademantel, den gleichfalls Mama hinterlassen hatte, gestopft, dazu kamen überflüssigerweise ein Eimerchen, ein Schäufelchen und diverse Sandkuchenförmchen. Maria trug die Tasche. Meine Trommel trug ich selbst.
    Oskar hatte Angst vor der Straßenbahnfahrt am Friedhof Saspe vorbei. Mußte er nicht befürchten, daß ihm der Anblick des so stillen und dennoch beredten Ortes die ohnehin nicht übermäßige Badelaune verschlüge? Wie wird sich der Geist Jan Bronskis verhalten, fragte sich Oskar, wenn leicht sommerlich gekleidet sein Verderber in einer Straßenbahn nahe seinem Grabe vorbeiklingelt?
    Die Linie Neun hielt. Der Schaffner rief die Station Saspe aus. Ich blickte angestrengt an Maria vorbei in Richtung Brösen, von wo her die Gegenbahn, langsam größer werdend, herankroch. Nur nicht den Blick abschweifen lassen! Was gab es dort schon zu sehen! Kümmerliche Strandkiefern, verschnörkelte Rostgitter, ein Durcheinander von haltlosen Grabsteinen, deren Inschriften nur noch Stranddisteln und tauber Hafer lesen mochten. Dann lieber den Blick aus dem offenen Fenster raus und hochgerissen: da brummten sie, die dicken Ju 52, wie eben nur dreimotorige Flugzeuge oder ganz fette Fliegen am wolkenlosen Julihimmel brummen können.
    Klingelnd fuhren wir an und ließen uns von der Gegenbahn die Sicht versperren. Gleich hinter dem Anhänger verdrehte es mir den Kopf: den ganzen verfallenen Friedhof bekam ich mit, auch ein Stück der Nordmauer, deren auffallend weiße Stelle zwar im Schatten lag, aber dennoch höchst peinlich . . .
    Und dann war die Stelle fort, wir näherten uns Brösen, und ich blickte wieder Maria an. Sie füllte ein leichtes geblümtes Sommerkleid. Um ihren runden, matt glänzenden Hals, über gutgepolstertem Schlüsselbein reihte sich eine Kette aus altroten Holzkirschen, die alle gleich groß waren und platzvoll Reife vortäuschten. Ahnte ich es nur oder roch ich es wirklich? Oskar beugte sich leicht — Maria nahm ihren Vanillegeruch an die Ostsee mit — atmete das Aroma tief ein und hatte den modernden Jan Bronski augenblicklich überwunden. Es war die Verteidigung der Polnischen Post schon historisch geworden, ehe den Verteidigern das Fleisch von den Knochen gefallen war. Oskar, der Überlebende, hatte ganz andere Gerüche in der Nase als etwa die, die sein einst so eleganter, nun mürber mutmaßlicher Vater an sich haben mochte.
    In Brösen kaufte Maria ein Pfund Kirschen, nahm mich bei der Hand — sie wußte, daß Oskar nur ihr

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