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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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Seekühe teilnahmslos und niveabraun gelagert sah, auf das Badelaken fallen; auf so weißem Plan verging ihr dann langsam die Schamröte.Vielleicht wäre es dem Badewetter jener Mittagsstunde doch noch gelungen, Oskar zum Schlaf zu verführen, hätte sich Maria nach einer knappen halben Stunde nicht abermals aufgerichtet und den Griff zum noch halb vollen Brausepulvertütchen gewagt. Ich weiß nicht, ob sie mit sich kämpfte, bevor sie den Rest des Pulvers in jene hohle Hand schüttelte, welcher die Wirkung des Waldmeisters nicht mehr fremd war. Etwa so lange wie jemand braucht, um sich seine Brille zu putzen, hielt sie das Tütchen links und rechts das rosa Schüsselchen reglos und gegensätzlich. Nicht etwa, daß sie den Blick auf das Tütchen oder die hohle Hand richtete, daß sie den Blick zwischen halbvoll und leer wandern ließ; zwischen Tüte und Hand blickte Maria mittendurch und machte streng dunkle Augen dabei.
    Es sollte sich aber zeigen, um wieviel der strenge Blick schwächer war als das halbvolle Tütchen. Die Tüte näherte sich der hohlen Hand, die kam dem Tütchen entgegen, der Blick verlor seine mit Schwermut gesprenkelte Strenge, wurde neugierig und schließlich nur noch gierig. Mit mühsam gespielter Gleichmut häufte Maria den Rest des Waldmeisterbrausepulvers in ihrem gutgepolsterten, trotz der Hitze trockenen Handteller, ließ das Tütchen und die Gleichmut fallen, stützte mit der freigewordenen Hand den gefüllten Griff, verweilte mit grauen Augen noch bei dem Pulver und sah dann mich an, sah mich grau an, forderte grauäugig etwas von mir, meinen Speichel wollte sie, warum nahm sie nicht ihren, Oskar hatte doch kaum noch welchen, sie hatte sicher viel mehr, so schnell erneuert sich nicht der Speichel, sie sollte gefälligst ihren nehmen, der war genau so gut, wenn nicht noch besser, auf jeden Fall mußte sie mehr haben als ich, weil ich so schnell keinen machen konnte, auch weil sie größer als Oskar war.
    Maria wollte meinen Speichel. Von Anfang an stand fest, daß nur mein Speichel in Frage kam. Sie nahm ihren fordernden Blick nicht von mir, und ich gab ihren nicht freihängenden, sondern angewachsenen Ohrläppchen die Schuld an dieser grausamen Unnachgiebigkeit. So schluckte Oskar, stellte sich Dinge vor, die ihm sonst das Wasser im Mund zusammenlaufen ließen, doch, lag es an der Seeluft, an der Salzluft, an der salzigen Seeluft, meine Speicheldrüsen versagten, ich mußte mich, durch Marias Blick dazu aufgefordert, erheben und auf den Weg machen. Es galt, ohne links und rechts zu schauen, über fünfzig Schritte durch den heißen Sand zurückzulegen, die noch heißerer.
    Treppenstufen zur Bademeisterkajüte hinaufzusteigen, den Wasserhahn aufzudrehen, den gewendeten Kopf offenen Mundes drunter zu halten, zu trinken, zu spülen, zu schlucken, damit Oskar wieder zu Speichel kam.
    Als ich die Strecke zwischen der Bademeisterkajüte und unserem weißen Laken, so endlos und von schrecklichem Anblick umsäumt der Weg auch war, überwunden hatte, fand ich Maria auf dem Bauche liegend. Den Kopf hatte sie zwischen verschränkten Armen versorgt. Ihre Zöpfe lagen trag auf rundem Rücken.
    Ich stieß sie an, denn Oskar hatte jetzt Speichel. Maria rührte sich nicht. Ich stieß nochmals. Sie wollte nicht. Vorsichtig öffnete ich ihr die linke Hand. Sie ließ es geschehen: die Hand war leer, als hätte sie nie Waldmeister gesehen. Ich bog ihr die rechten Finger gerade: rosig der Teller, in den Linien feucht, heiß und leer.
    Hatte Maria doch ihren eigenen Speichel bemüht? Hatte sie nicht warten können? Oder sie hatte das Brausepulver davon geblasen, hatte das Gefühl erstickt, bevor sie fühlte, hatte die Hand am Badelaken blankgerieben, bis wieder Marias vertraute Patschhand mit dem leicht abergläubischen Mondberg, dem fetten Merkur und dem straffgepolsterten Venusgürtel zum Vorschein kam.
    Wir gingen damals bald darauf nach Hause, und Oskar wird nie erfahren, ob Maria schon an jenem Tage das Brausepulver zum zweitenmal schäumen ließ oder ob jene Mischung aus Brausepulver und meinem Speichel erst einige Tage später für sie und für mich in der Wiederholung zum Laster wurde.
    Der Zufall oder ein unseren Wünschen gehorsamer Zufall brachte es mit sich, daß Matzerath am Abend des soeben beschriebenen Badetages — wir aßen Blaubeerensuppe und hinterher Kartoffelpuffer — Maria und mir umständlich eröffnete, er sei Mitglied eines kleinen Skatklubs innerhalb seiner Ortsgruppe geworden, er

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