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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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Greff s zu jenen Knaben und Jünglingen, die oft genug den Händler besuchten, nie etwas anderes sehen können als die Begeisterung junger Menschen für einen zwar laienhaften, aber passionierten Freund und Erzieher der Jugend.
    Mich konnte Greff weder begeistern noch erziehen. Auch war Oskar nicht sein Typ. Hätte ich mich zum Wachstum entschließen können, wäre ich vielleicht zu seinem Typ geworden; denn mein Sohn Kurt, der jetzt etwa dreizehn Jahre zählt, verkörpert in all seiner knochigen Schlaksigkeit genau Greffs Typ, auch wenn er ganz nach Maria schlägt, von mir nur wenig hat und von Matzerath gar nichts.
    Greff war mit Fritz Truczinski, der Heimaturlaub bekommen hatte, Trauzeuge jener Ehe, die zwischen Maria Truczinski und Alfred Matzerath geschlossen wurde. Da Maria genau wie ihr Gatte protestantischer Konfession war, ging man nur aufs Standesamt. Das war Mitte Dezember. Matzerath sagte in Parteiuniform sein Ja. Maria war im dritten Monat.
    Je dicker meine Geliebte wurde, um so mehr steigerte sich Oskars Haß. Dabei hatte ich nichts gegen die Schwangerschaft einzuwenden. Nur daß die von mir gezeugte Frucht eines Tages den Namen Matzerath tragen sollte, nahm mir alle Freude an dem zu erwartenden Stammhalter. So unternahm ich, als Maria im fünften Monat war, freilich viel zu spät, den ersten Abtreibungsversuch. Das war um die Faschingszeit. Maria wollte an jener Messingstange über dem Ladentisch, an der Würste und Speck hingen, einige Papierschlangen, auch zwei Clownsmasken mit Knollennasen befestigen. Die Leiter, die sonst an den Regalen einen guten Halt hatte, stand wackelig gegen den Ladentisch gelehnt. Maria hoch oben, mit den Händen zwischen Papierschlangen, Oskar tief unten am Leiterfuß. Meine Trommelstöcke als Hebel benutzend, mit der Schulter und festestem Vorsatz nachhelfend, drückte ich den Tritt hoch, dann zur Seite: zwischen Papierschlangen und Clownsmasken schrie Maria leise und schreckhaft auf, schon schwankte die Leiter, Oskar sprang zur Seite . und dicht neben ihm kam Maria, buntes Papier, Wurst und Masken mitreißend, zu Fall.
    Das sah schlimmer aus, als es war. Sie hatte sich nur den Fuß verstaucht, mußte sich legen und schonen, hatte sonst aber keinen Schaden genommen, wurde weiterhin immer unförmiger und erzählte nicht einmal dem Matzerath, wer ihr zu dem verstauchten Fuß verholfen hatte.
    Erst als ich im Mai des folgenden Jahres, etwa drei Wochen vor der zu erwartenden Niederkunft, den zweiten Abtreibungsversuch unternahm, sprach sie, ohne die volle Wahrheit zu sagen, mit ihrem Gatten Matzerath. Beim Essen, in meiner Gegenwart, sagte sie: »Oskarchen is in da letzte Zeit so wild baim Spielen und Schlacht mä manchmal jegen dem Bauch. Vleicht mechten wä ihm bis nache Jeburt bai main Muttchen unterbringen, wo Platz is.«
    Das hörte sich Matzerath an und glaubte es auch. In Wirklichkeit hatte mir ein mörderischer Anfall zu einer ganz anderen Begegnung mit Maria verhelfen.
    Sie hatte sich während der Mittagspause auf die Chaiselongue gelegt. Matzerath war im Laden und dekorierte, nachdem er das Geschirr vom Mittagessen abgewaschen hatte, das Schaufenster. Still war es im Wohnzimmer. Vielleicht eine Fliege, die Uhr wie gewöhnlich, im Radio ein leise gestellter Bericht über die Erfolge der Fallschirmjäger auf Kreta. Ich horchte nur auf, als sie den großen Boxer Max Schmeling sprechen ließen. Der hatte sich, soviel ich verstehen konnte, beim Absprang und Landen auf Kretas felsigem Boden den Weltmeisterfuß verknaxt, mußte jetzt liegen und sich schonen; ähnlich wie Maria, die nach dem Sturz von der Leiter das Bett hüten mußte. Schmeling sprach ruhig, bescheiden, dann erzählten Fallschirmjäger, die weniger prominent waren, und Oskar hörte nicht mehr zu: Stille, vielleicht eine Fliege, die Uhr wie gewöhnlich, ganz leise das Radio.
    Ich saß vor dem Fenster auf meinem Bänkchen und beobachtete Marias Leib auf der Chaiselongue.
    Sie atmete schwer und hielt die Augen geschlossen. Ab und zu schlug ich mürrisch auf mein Blech ein. Aber sie rührte sich nicht und zwang mich dennoch, mit ihrem Bauch in einem Zimmer atmen zu müssen. Gewiß, da gab es noch die Uhr, die Fliege zwischen Scheibe und Gardine und das Radio mit der steinigen Insel Kreta im Hintergrund. Das alles ging mir nach kürzester Zeit unter, ich sah nur noch den Bauch, wußte weder, in welchem Zimmer sich dieser Bauch rundete, noch wem er gehörte, wußte kaum noch, wer jenen Bauch so dick gemacht

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