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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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Postkarten, weilte im milden, frühsommerlichen Paris, trommelte leichthin »Trois jeunes tambours«, hatte nichts mit der deutschen Besatzungsarmee gemein, mußte also auch keine Partisanen fürchten, die ihn von Seinebrücken herabzustürzen gedachten. Nein, ganz in Zivil bestieg ich mit meiner Trommel den Eiffelturm, genoß von oben, wie es sich gehört, den weiten Blick, befand mich so wohl und trotz der verlockenden Höhe frei von bittersüßen Selbstmordgedanken, daß mir erst nach dem Abstieg, als ich vierundneunzig Zentimeter groß am Fuße des Eiffelturmes stand, die Geburt meines Sohnes wieder bewußt wurde.
    Voila, ein Sohn! dachte ich mir. Er soll, wenn er drei Jahre alt ist, eine Blechtrommel bekommen. Wir wollen doch einmal sehen, wer hier der Vater ist — jener Herr Matzerath oder ich, Oskar Bronski.
    Im heißen Monat August — ich glaube, es wurde gerade wieder einmal der erfolgreiche Abschluß einer Kesselschlacht, jener von Smolensk gemeldet — da wurde mein Sohn Kurt getauft. Wie aber kam es dazu, daß meine Großmutter Anna Koljaiczek und ihr Bruder Vinzent Bronski zur Taufe eingeladen wurden? Wenn ich mich wieder zu jener Version entschließe, die den Jan Bronski zu meinem Vater, den stillen und immer wunderlicheren Vinzent zu meinem Großvater väterlicherseits macht, gäbe es Gründe genug für die Einladung. Schließlich waren meine Großeltern die Urgroßeltern meines Sohnes Kurt.
    Diese Beweisführung fiel natürlich niemals dem Matzerath ein, der ja die Einladung ausgesprochen hatte. Der sah sich selbst während zweifelhaftester Momente, etwa nach einem haushoch verlorenen Skatspiel, als doppelten Erzeuger, Vater und Ernährer. Oskar sah seine Großeltern aus anderen Gründen wieder. Man hatte die beiden alten Leutchen eingedeutscht. Sie waren keine Polen mehr und träumten nur noch kaschubisch. Volksdeutsche nannte man sie, Volksgruppe drei. Dazu kam, daß Hedwig Bronski, Jans Witwe, einen Baltendeutschen, der in Ramkau Ortsbauernführer war, geheiratet hatte.Schon liefen Anträge, nach deren Bewilligung Marga und Stephan Bronski den Namen ihres Stiefvaters Ehlers übernehmen sollten. Der siebzehnjährige Stephan hatte sich freiwillig gemeldet, befand sich auf dem Truppenübungsplatz Groß-Boschpol in der Infanterieausbildung und hatte alle Aussichten, die Kriegsschauplätze Europas besuchen zu dürfen, während Oskar, der auch bald ins wehrtaugliche Alter kam, hinter seiner Trommel warten mußte, bis es beim Heer oder bei der Marine, eventuell bei der Luftwaffe eine Verwendungsmöglichkeit für einen dreijährigen Blechtrommler gäbe.
    Der Ortsbauernführer Ehlers machte den Anfang. Vierzehn Tage vor der Taufe fuhr er mit Hedwig neben sich auf dem Bock zweispännig im Labesweg vor. Er hatte O-Beine, war magenkrank und mit Jan Bronski gar nicht zu vergleichen. Einen ganzen Kopf kleiner saß er neben der kuhäugigen Hedwig am Wohnzimmertisch. Seine Erscheinung überraschte selbst Matzerath. Es wollte kein Gespräch aufkommen. Vom Wetter sprach man, man stellte fest, daß im Osten allerlei los sei, daß es da stramm vorwärts gehe, viel zügiger als anno fünfzehn, erinnerte sich Matzerath, der anno fünfzehn dabeigewesen war. Es gaben sich alle Mühe, nicht von Jan Bronski zu sprechen, bis ich ihnen einen Strich durch die schweigsame Rechnung machte und mit kindlich drolliger Mundstellung laut und mehrmals nach Oskars Onkel Jan rief. Matzerath gab sich einen Ruck, sagte etwas Freundliches und etwas Besinnliches über seinen ehemaligen Freund und Nebenbuhler. Ehlers stimmte sofort und wortreich zu, obgleich er seinen Vorgänger nie gesehen hatte. Hedwig fand dann sogar einige echte und ganz langsam kullernde Tränen und schließlich das Schlußwort zum Thema Jan: »Ain guter Mansch warrer ja. Und könnt kaine Flieje nich ain Haarchen krümmen. Wä hält jedacht, dasser mißt so zu Grund jähen, wo ä doch ängstlich war und könnt sich verfeiern vor nuscht un wieder nuscht.«
    Nach solchen Worten bat Matzerath die hinter ihm stehende Maria, Flaschenbier zu holen, und den Ehlers fragte er, ob er Skat spielen könne. Ehlers konnte nicht, bedauerte das sehr, aber Matzerath war großzügig genug, dem Ortsbauernführer den kleinen Fehler nachzusehen. Sogar die Schulter klopfte er ihm und versicherte, als schon das Bier in den Gläsern stand, daß das nichts mache, wenn er vom Skat nichts verstehe; man könne ja trotzdem gut Freund bleiben.
    So fand also Hedwig Bronski als Hedwig Ehlers wieder

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