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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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beobachteten. Doch die Raguna hielt meine Hände, die ich ihr, um den Freund und Meister zu schonen, entziehen wollte. Bebra lächelte im Rückspiegel, nahm dann seinen Blick fort, begann ein Gespräch mit dem Fahrer, während Roswitha ihrerseits, mit Händen heiß drückend und streichelnd, mit dem Mittelmeermund ein Gespräch begann, das süß und direkt mich meinte, Oskar ins Ohr floß, dann wieder sachlich wurde, um hinterher um so süßer all meine Bedenken und versuchten Fluchtversuche zu verkleben. Reichskolonie, Richtung Frauenklinik fuhren wir, und die Raguna gestand Oskar, daß sie immer an ihn gedacht habe während all der Jahre, daß sie das Glas aus dem Cafe Vierjahreszeiten, das ich damals mit einer Widmung besungen hatte, immer noch aufbewahre, daß Bebra zwar ein vortrefflicher Freund und ausgezeichneter Arbeitspartner sei, aber an Ehe könne man nicht denken; der Bebra müsse alleine bleiben, antwortete die Raguna auf eine Zwischenfrage von mir, sie lasse ihm alle Freiheit, und auch er, obgleich recht eifersüchtig von Natur, habe im Laufe der Jahre begriffen, daß man die Raguna nicht binden könne, zudem finde der gute Bebra als Leiter des Fronttheaters auch kaum Zeit, eventuellen ehelichen Pflichten nachzukommen, dafür sei aber das Fronttheater erste Klasse, mit dem Programm hätte man sich in Friedenszeiten im »Wintergarten« oder in der »Skala« sehen lassen können, ob ich, Oskar, nicht Lust verspüre, bei all meiner ungenutzten göttlichen Begabung, alt genug sei ich wohl dafür, ein Probejährchen, sie könne bürgen, aber ich, Oskar, habe wohl andere Verpflichtungen, nein? um so besser, man fahre heute ab, das sei die letzte Nachmittagsvorstellung im Wehrbezirk Danzig-Westpreußen gewesen, es gehe jetzt nach Lothringen, dann nach Frankreich, an Ostfront sei vorläufig nicht zu denken, das habe man gerade glücklich hinter sich, ich, Oskar, könne von Glück sprechen, daß der Osten passé sei, daß es jetzt nach Paris gehe, bestimmt gehe es nach Paris, ob mich, Oskar, schon einmal eine Reise nach Paris geführt habe. Na also, Amico, wenn die Raguna schon nicht Ihr hartes Trommlerherz verführen kann, dann lassen Sie sich von Paris verführen, andiamo!
    Der Wagen stoppte beim letzten Wort der großen Somnambulen. In regelmäßigen Abständen, grün, preußisch die Bäume der Hindenburgallee. Wir stiegen aus, Bebra ließ den Fahrer warten, ins Cafe Vierjahreszeiten wollte ich nicht, da mein etwas wirrer Kopf nach frischer Luft verlangte. So ergingen wir uns im Steffenspark: Bebra an meiner Rechten, Roswitha an meiner Linken. Bebra erklärte mir Sinn und Zweck der Propagandakompanie. Roswitha erzählte mir Anekdotenen aus dem Alltag der Propagandakompanie. Bebra wußte von Kriegsmalern, Kriegsberichterstattern und von seinem Fronttheater zu plaudern. Roswitha ließ ihrem Mittelmeermund die Namen ferner Städte entspringen, von denen ich im Radio gehört hatte, wenn Sondermeldungen laut wurden. Bebra sagte Kopenhagen.
    Roswitha hauchte Palermo. Bebra sang Belgrad. Roswitha klagte wie eine Tragödin: Athen. Beide zusammen aber schwärmten immer wieder von Paris, versprachen, daß jenes Paris alle anderen soeben genannten Städte aufwiegen könne, schließlich machte mir Bebra, fast möchte ich sagen, dienstlich und in aller Form als Leiter und Hauptmann eines Fronttheaters das Angebot: »Steigen Sie ein bei uns, junger Mann, trommeln Sie, zersingen Sie Biergläser und Glühbirnen! Die deutsche Besatzungsarmee im schönen Frankreich, im ewigjungen Paris wird Ihnen danken und zujubeln.«
    Nur der Form halber bat Oskar um Bedenkzeit. Eine gute halbe Stunde schritt ich abseits der Raguna, abseits des Freundes und Meisters Bebra zwischen maigrünem Gebüsch, gab mich nachdenklich und gequält, rieb mir die Stirn, lauschte, was ich noch nie getan hatte, den Vöglein im Walde, tat so, als erwartete ich von irgendeinem Rotkehlchen Auskunft und Rat, und sagte, als im Grün etwas besonders laut und auffallend zirpte: »Die gute und weise Natur rät mir, Ihren Vorschlag, verehrter Meister, anzunehmen. Sie dürfen fortan in mir ein Mitglied Ihres Fronttheaters sehen!«
    Wir gingen dann doch ins Vierjahreszeiten, tranken einen dünnblutigen Mokka und besprachen die Einzelheiten meiner Flucht, die wir aber nicht Flucht nannten, sondern Fortgang.
    Vor dem Cafe wiederholten wir noch einmal alle Einzelheiten des geplanten Unternehmens. Dann verabschiedete ich mich von der Raguna und dem Hauptmann Bebra der

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