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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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Grabsteine. Der alte Heilandt saugte süchtig an seiner Zigarette und stieß den Rauch gegen das Sargende. Ich trug den Käfig mit dem Wellensittich auf der Stange.
    Maria zog zwei Schaufeln hinter sich her. Kurtchen trug eine Kreuzhacke, das heißt, er schwang sie um sich, schlug auf dem Friedhof, sich in Gefahr bringend, gegen den grauen Granit, bis Maria ihm die Hacke wegnahm, um, kräftig wie sie war, den beiden Männern beim Graben zu helfen.
    Wie gut, daß der Boden hier sandig und nicht gefroren ist, stellte ich fest und suchte hinter der nördlichen Mauer Jan Bronskis Stelle. Hier oder da mochte es gewesen sein. Genaues ließ sich nicht mehr feststellen, da die wechselnden Jahreszeiten den ehemaligen verräterisch frischen Kalkanstrich grau und mürbe wie alles Mauerwerk auf Saspe gemacht hatten.
    Durch die hintere Gittertür fand ich wieder zurück, schickte den Blick an den Krüppelkiefern hoch und dachte, um nichts Belangloses denken zu müssen: nun begraben sie auch den Matzerath. Auchsuchte und fand ich teilweise einen Sinn in dem Umstand, daß hier unter demselben Sandboden die beiden Skatbrüder Bronski und Matzerath, wenn auch ohne meine arme Mama liegen sollten.
    Begräbnisse erinnern immer an andere Begräbnisse!
    Der Sandboden wollte bewältigt werden, verlangte wohl geübtere Totengräber. Maria machte eine Pause, hielt sich schwer atmend an der Spitzhacke und begann wieder zu weinen, als sie das Kurtchen sah, das auf weite Distanz mit Steinen nach dem Wellensittich im Käfig warf. Kurtchen traf nicht, warf zu weit, Maria weinte kräftig und echt, weil sie den Matzerath verloren hatte, weil sie in dem Matzerath etwas gesehen hatte, was er, meiner Meinung nach, kaum darstellte, was ihr aber fortan dennoch deutlich und liebenswert bleiben sollte. Trost sprechend benutzte Herr Fajngold die Gelegenheit für eine Pause, denn das Graben setzte ihm zu. Der alte Heilandt schien Gold zu suchen, so gleichmäßig führte er die Schaufel, warf den Aushub hinter sich und stieß auch den Zigarettenrauch in bemessenen Abständen aus. Etwas entfernt saßen die beiden Jungrussen auf der Friedhofsmauer und schwatzten gegen den Wind. Dazu Flugzeuge und eine Sonne, die immer reifer wurde.
    Sie mochten einen Meter tief gegraben haben, und Oskar stand müßig und ratlos zwischen altem Granit, zwischen Krüppelkiefern, zwischen der Witwe Matzeraths und einem Kurtchen, das nach dem Wellensittich warf.
    Soll ich oder soll ich nicht? Du bist im einundzwanzigsten Lebensjahr, Oskar. Sollst du oder sollst du nicht? Ein Waisenkind bist du. Du solltest endlich. Seit deine arme Mama nicht mehr ist, bist du eine Halbwaise. Schon damals hättest du dich entscheiden sollen. Dann legten sie deinen mutmaßlichen Vater Jan Bronski dicht unter die Erdkruste. Mutmaßliche Vollwaise warst du, standest hier, auf diesem Sand, der Saspe heißt, und hieltest eine leicht oxydierte Patronenhülse. Es regnete und eine Ju 52 setzte zur Landung an. Wurde nicht schon damals, wenn nicht im Regengeräusch, dann im Gedröhn der landenden Transportmaschine dieses »Soll ich, soll ich nicht« deutlich? Du sagtest dir, das ist der Regen, und das sind Motorengeräusche; derlei Monotonie kann man jeden Text unterschieben. Du wolltest es noch deutlicher haben und nicht nur mutmaßlich.
    Soll ich oder soll ich nicht? Jetzt machen sie ein Loch für Matzerath, deinen zweiten mutmaßlichen Vater. Mehr mutmaßliche Väter gibt es deines Wissens nach nicht. Warum jonglierst du dennoch mit zwei glasgrünen Flaschen: soll ich, soll ich nicht? Wen willst du noch befragen? Die Krüppelkiefern, die sich selbst fragwürdig sind?
    Da fand ich ein mageres gußeisernes Kreuz mit mürben Schnörkeln und verkrusteten Buchstaben wie: Mathilde Kunkel — oder Runkel. Da fand ich — soll ich oder soll ich nicht — im Sand zwischen Disteln und Strandhafer — soll ich — drei oder vier — soll ich nicht — tellergroße, bröckelnd rostige Metallkränze, die vormals — soll ich — vielleicht Eichenlaub oder Lorbeer dargestellt hatten — soll ich etwa nicht — wog die in der Hand — soll ich etwa doch — zielte — soll ich — das überragende Kreuzende — oder nicht — hatte einen Durchmesser von — soll ich — vielleicht vier Zentimetern — nicht — einen Abstand von zwei Metern befahl ich mir — soll ich — und warf — nicht — daneben — soll ich abermals — zu schief stand das Eisenkreuz — soll ich — Mathilde Kunkel oder hieß sie Runkel — soll

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