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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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Fleisch, war aber noch nicht gar.
    Nun darf niemand glauben, daß ein Künstlerfest ein Fest ist, auf dem Künstler ein Fest feiern. Die Mehrzahl der Akademiestudenten stand mit ernsten, angestrengten, wenn auch bemalten Gesichtern hinter originellen, aber etwas wackeligen Schanktischen und suchte, Bier, Sekt, Wiener Würstchen und schlecht eingeschenkte Schnäpse verkaufend, einen Nebenverdienst. Das eigentliche Künstlerfest wurde von Bürgern bestritten, die einmal im Jahre mit Geld um sich werfen, wie Künstler leben und feiern wollten.
    Nachdem ich etwa ein Stündchen lang auf Treppen, in Ecken unter Tischen Pärchen erschreckt hatte, die im Begriff waren, der Unbequemlichkeit einen Reiz abzugewinnen, befreundete ich mich mit zwei Chinesinnen, die aber griechisches Blut in den Adern haben mußten, denn die praktizierten eine Liebe, die vor Jahrhunderten auf der Insel Lesbos besungen wurde. Wenn die beiden auch recht fix und vielfingerig einander zusetzten, ließen sie mich doch an den entscheidenden Stellen in Ruhe, boten mir eine teilweise recht amüsante Schau, tranken mit mir zu warmen Sekt und erprobten, mit meiner Erlaubnis, den Widerstand meines am äußersten Punkt recht stößigen Buckels, hatten wohl Glück dabei — was meine These einmal mehr bestätigt: ein Buckel bringt den Frauen Glück.
    Dennoch machte mich dieser Umgang mit Frauen, je länger er dauerte, immer trauriger. Gedanken bewegten mich, Politik stimmte mich sorgenvoll, mit Sekt malte ich die Blockade der Stadt Berlin auf die Tischplatte, pinselte an der Luftbrücke, verzweifelte angesichts der beiden Chinesinnen, die nicht zusammenkommen konnten, an der Wiedervereinigung Deutschlands und tat, was ich sonst nie tat: Oskar suchte als Yorick den Sinn des Lebens.
    Als meinen Damen nichts Sehenswertes mehr einfiel — sie verfielen dem Weinen, was ihren geschminkten Chinesengesichtern verräterische Spuren zeichnete — erhob ich mich geschlitzt, gepludert, mit Schellen lärmend, wollte zu zwei Dritteln nach Hause, suchte mit einem Drittel noch ein kleines karnevalistisches Erlebnis und sah — nein, er sprach mich an — den Obergefreiten Lankes.
    Erinnern Sie sich noch? Wir begegneten ihm am Atlantikwall während des Sommers vierundvierzig.
    Er bewachte dort den Beton und rauchte die Zigaretten meines Meisters Bebra.
    Die Treppe, auf der man dichtgedrängt saß und knutschte, wollte ich hinauf, gab mir gerade selbst Feuer, da tippte es mich an, und ein Obergefreiter des letzten Weltkrieges sprach: »Äh, Kumpel, haste nich'n Zigarett för mich?«
    Kein Wunder, daß ich ihn mit Hilfe dieser Rede, auch weil sein Kostüm feldgrau war, sofort erkannte.
    Dennoch hätte ich diese Bekanntschaft nie aufgefrischt, hätte der Obergefreite und Betonmaler nicht die Muse persönlich auf dem feldgrauen Knie gehabt.
    Lassen Sie mich erst mit dem Maler sprechen und später die Muse beschreiben. Nicht nur die Zigarette gab ich ihm, ließ auch mein Feuerzeug wirken und sagte, während er zu Rauch kam:
    »Erinnern Sie sich, Obergefreiter Lankes? Bebras Fronttheater? Mystisch, barbarisch, gelangweilt?«Der Maler erschrak, als ich ihn so ansprach, ließ zwar nicht die Zigarette, aber die Muse von seinem Knie fallen. Ich fing das völlig betrunkene, langbeinige Kind auf und gab es ihm zurück.
    Während wir beide, Lankes und Oskar, Erinnerungen austauschten, über den Oberleutnant Herzog, den Lankes einen Spinner nannte, schimpften, meines Meisters Bebra und auch der Nonnen gedachten, die damals zwischen dem Rommelspargel Krabben suchten, verwunderte ich mich über die Erscheinung der Muse. Sie war als Engel gekommen, trug einen Hut aus plastisch geformter Preßpappe, wie man sie zum Verpacken von Export-Eiern verwendet, und spiegelte trotz starker Trunkenheit, trotz traurig geknickter Flügel immer noch den leicht kunstgewerblichen Liebreiz einer Himmelsbewohnerin.
    »Dat is Ulla«, klärte mich der Maler Lankes auf. »Die hat eijentlich Schneiderin jelernt, will aber jetzt in Kunst machen, was mia janich in mein Kram paßt, denn mit der Schneiderei verdient se was, mit Kunst nich.«
    Da erbot sich Oskar, der ja mit der Kunst schönes Geld verdiente, die Schneiderin Ulla als Modell und Muse bei den Malern der Kunstakademie einzuführen. So begeistert war Lankes von meinem Vorschlag, daß er gleich drei Zigaretten aus meinem Päckchen zog, dafür seinerseits eine Einladung in sein Atelier hervorbrachte; nur müsse ich das Taxi bis dahin bezahlen, schränkte er

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