Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
Vom Netzwerk:
haben; noch bleibt offen: den Glauben an was verloren. Noch wissen wir nichts von der Vergangenheit des Herrn mit dem massigen Kopf, auch welche Schwierigkeiten der Sohn dem Vater, der Vergangenheit wegen, bereitet, kommt nicht zur Sprache; es ist -man verzeihe Oskar den Vergleich — wie vor dem Eierlegen: man drückt und drückt...
    Man drückte im Zwiebelkeller so lange erfolglos, bis der Wirt Schmuh mit dem besonderen Shawl kurz auftauchte, das allgemein freudige »Ah« dankend entgegennahm, dann für wenige Minuten hinter einem Vorhang am Ende des Zwiebelkellers, wo die Toiletten und ein Lagerraum waren, verschwand und wieder zurückkam.
    Warum aber begrüßt den Wirt ein noch freudigeres, halberlöstes »Ah«, wenn er sich wieder seinen Gästen stellt? Da verschwindet der Besitzer eines gutgehenden Nachtlokals hinter einem Vorhang, greift sich etwas aus dem Lagerraum, schimpft ein bißchen halblaut mit der Toilettenfrau, die dort sitzt und in einer Illustrierten liest, tritt wieder vor den Vorhang und wird wie der Heiland, wie den ganz große Wunderonkel begrüßt. j Schmuh trat mit einem Körbchen am Arm zwischen seine Gäste. Dieses Körbchen verdeckte ein blaugelb kariertes Tuch. Auf dem Tuch lagen Holzbrettchen, die die Profile von Schweinen und Fischen hatten. Diese fein säuberlich gescheuerten Brettchen verteilte der Wirt Schmuh unter seine Gäste. Verbeugungen gelangen ihm dabei, Komplimente, die verrieten, daß er seine Jugend in Budapest und Wien verbracht hatte; Schmuhs Lächeln glich dem Lächern auf einer Kopie, die man nach der Kopie der vermutlich echten Mona Lisa gemalt hatte.
    Die Gäste aber nahmen die Brettchen ernsthaft in Empfang. Manche tauschten sie um. Der eine liebte die Profilform des Schweines, der andere oder — wenn es sich um eine Dame handelte — die andere zog dem ordinären Hausschwein den geheimnisvolleren Fisch vor. Sie rochen an den Brettchen, schoben sie hin und her, und der Wirt Schmuh wartete, nachdem er auch die Gäste auf der Galerie bedient hatte, bis jedes Brettchen zur Ruhe gekommen war.
    Dann — und alle Herzen warteten auf ihn — dann zog er, einem Zauberer nicht unähnlich, das Deckchen fort: ein zweites Deckchen deckte den Korb. Darauf aber lagen, mit dem ersten Blick nicht erkenntlich, die Küchenmesser.
    Wie zuvor mit den Brettchen ging Schmuh nun mit den Messern reihum. Doch machte er seine Runde schneller, steigerte jene Spannung, die ihm erlaubte, die Preise zu erhöhen, machte keine Komplimente mehr, ließ es nicht zum Umtausch der Küchenmesser kommen, eine gewisse wohldosierte Hast fuhr in seine Bewegungen, »Fertig, Achtung, los!« rief er, riß das Tuch vom Korb, griff hinein in den Korb, verteilte, teilte aus, streute unters Volk, war der milde Geber, versorgte seine Gäste, gab ihnen Zwiebeln, Zwiebeln, wie man sie goldgelb und leicht stilisiert auf seinem Shawl sah, Zwiebeln gewöhnlicher Art, Knollengewächse, keine Tulpenzwiebeln, Zwiebeln, wie sie die Hausfrau einkauft, Zwiebeln, wie sie die Gemüsefrau verkauft, Zwiebeln, wie sie der Bauer oder die Bäuerin oder die Magd pflanzt und erntet, Zwiebeln, wie sie, mehr oder weniger getreu abgemalt, auf den Stilleben holländischer Kleinmeister zu sehen sind, solche und ähnliche Zwiebeln verteilte der Wirt Schmuh unter seine Gäste, bis alle die Zwiebeln hatten, bis man nur noch die Kanonenöfen bullern, die Karbidlampen singen hörte. So still wurde es nach der großen Zwiebelausteilung — und Ferdinand Schmuh rief »Bittschön, die Herrschaften!« warf das eine Ende seines Shawls, über die linke Schulter, wie es Skiläufer vor der Abfahrt tun, und gab damit das Signal.
    Man enthäutete die Zwiebeln. Sieben Häute sagt man der Zwiebel nach. Die Damen und Herren enthäuteten die Zwiebeln mit den Küchenmessern. Sie nahmen den Zwiebeln die erste, dritte, blonde, goldgelbe, rostbraune, oder besser: zwiebelfarbene Haut, häuteten, bis die Zwiebel gläsern, grün, weißlich, feucht, klebrig wäßrig wurde,roch, nach Zwiebel roch, und dann schnitten sie, wie man Zwiebeln schneidet, schnitten geschickt oder ungeschickt auf Hackbrettchen, die die Profile von Schweinen und Fischen hatten, schnitten in diese . und jene Richtung, daß der Saft spritzte oder sich der Luft über der Zwiebel mitteilte — es mußten die älteren Herren, die mit Küchenmessern nicht umgehen konnten, vorsichtig sein, daß sie sich nicht in die Finger schnitten; schnitten sich aber manche und merkten es nicht — dafür die

Weitere Kostenlose Bücher