Die Bleiche Hand Des Schicksals
Skylar ignorierte sie, sammelte stetig Steine und häufte sie zu kleinen Hügeln. »Ist es nicht ein wenig früh, Ihre Sachen auf Vordermann zu bringen?«, fragte Clare.
Lilly schüttelte den Kopf. »Die Saison beginnt im April. Wenn es nicht so verdammt kalt wäre, könnten wir die Kähne nächste Woche auf den Fluss setzen. Der Wasserstand ist selbst vor der Öffnung der Schleusen erstaunlich hoch.«
»Was passiert, wenn die Schleusen geöffnet werden?«
»Jiiha!« Lilly hob die Arme und ließ sie fallen, hob sie und ließ sie fallen, wie jemand, der eine Achterbahnfahrt nachahmt. »Stromschnellen der Klasse vier und fünf. Eine echte Herausforderung. Es gibt Abschnitte im Sacandaga, die ich im April nicht mal mit einem Boot voller Profis befahren würde.« Sie grinste. »Vielleicht früher, als ich noch jünger war, aber heute lege ich Wert darauf, meine Enkel aufwachsen zu sehen. He, Schätzchen, bleib von der Straße weg, oder ich muss dir eine Auszeit verpassen.«
Whitley hatte den Schlauch fallenlassen und bewegte sich Zentimeter für Zentimeter auf die Landstraße zu.
»Achtung!« Ihre Großmutter rannte los und nahm sie auf den Arm. »Da kommt ein Auto, du dummes Mädchen. Niemals ohne Erwachsene die Straße überqueren.« Sie leierte den letzten Satz, als hätte sie ihn so oft gesagt, dass es schon reine Routine war.
Das Auto fuhr langsamer, vielleicht in Reaktion auf das kleine Mädchen an der Straße. Die Haustür der Clows sprang auf und Debba klapperte die Verandastufen hinunter, das ledergebundene Tagebuch in der Hand. Sie knirschte über den Kiesweg. Sie sah Clare an, öffnete den Mund, als wollte sie etwas sagen, dann wandte sie sich an ihre Mutter, die immer noch Whitley auf dem Arm hielt. »Ist sie wieder unartig?« Debba blieb am Straßenrand stehen, um den Wagen vorbeifahren zu lassen, aber das Auto wurde noch langsamer und blieb schließlich zwischen Scheune und Haus stehen. Nicht am Rand. Mitten auf der Straße. Es war so unheimlich, dass sich Clares Nackenhaare sträubten. Lilly sah sie an, sah zum Auto und rückte ihre Enkelin auf der Hüfte zurecht.
Am Steuer saß eine Frau, vom Straßenrand aus nur schwer zu erkennen, da sich die Sonne im Fenster spiegelte. Dann schwang die Tür auf und Renee Rouse stieg aus. In ihrem Kaschmirpullover und den perfekt gebügelten Hosen ebenso makellos wie beim letzten Mal, als Clare sie gesehen hatte, wirkte sie gegen die mit wasserfleckigen Jeans und Gummistiefeln bekleideten Clows so deplaziert, dass die Waffe in ihrer Hand einen Moment lang auch nur eine weitere Diskrepanz zu sein schien, wie die goldenen Armreifen und die Lederpumps.
»Lieber Gott«, sagte Lilly.
Renee trat vom Wagen weg und richtete, die Arme steif ausgestreckt, mit ruckartigen Bewegungen die Waffe auf Debba. »Wo ist mein Mann?«, sagte sie.
Clare konnte sie jetzt besser sehen, eine große Kaliber 38, die Art Waffe, die Leute kaufen, wenn sie in einen Laden gehen und etwas verlangen, »das einen Angreifer wirklich aufhält«. So wie Renee die Waffe hielt, bezweifelte Clare, dass sie jemals mehr damit zu tun gehabt hatte, als ihrem Ehemann zu sagen, er solle sie irgendwo außer Sichtweite einschließen. Vielleicht hatte sie sie nicht einmal entsichert.
Debba hob die Hände auf Hüfthöhe, als wüsste sie nicht, ob sie sie nun hochnehmen sollte oder nicht. »Ich weiß es nicht.«
Renee trat einen weiteren Schritt auf sie zu. »Sie haben ihm da draußen etwas angetan. Ich will wissen, was Sie getan haben. Ich will wissen, wo mein Mann ist!« Bei den letzten Worten brach ihre Stimme.
Lilly, die Stiefel in den Schlamm gerammt, Whitley fest umklammert, schwankte vor und zurück, als wäre sie hin-und hergerissen zwischen dem Wunsch, zu ihrer Tochter zu eilen oder ihre Enkelin in Sicherheit zu bringen. Skylar wanderte in Reichweite umher, die Kiesel fest umklammert, und seine Großmutter packte ihn mit einer Hand und zog ihn an sich.
»Mrs. Rouse.« Clare war überrascht, wie ruhig sie klang, angesichts dessen, wie ihr Herz in ihrer Brust hämmerte, und der Adrenalinwoge, die ihre Nervenenden überflutete.
Mrs. Rouse drehte sich zu ihr um, die Waffe nach wie vor auf Debba gerichtet. Clare konnte jetzt ihr Gesicht sehen, totenblass, mit blutunterlaufenen Augen, geschwollen und fleckig von zu vielen Tränen. Clare hob die Arme in derselben Willkommensgeste wie in der Kirche, ohne Hast, unbedrohlich. »Ich weiß, dass Ihnen das Herz bricht«, sagte sie, »aber das ist nicht
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