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Die Bleiche Hand Des Schicksals

Die Bleiche Hand Des Schicksals

Titel: Die Bleiche Hand Des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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hinter ihm. Alles in Ordnung.« Sie überquerte die Straße und lief hinter dem Obdachlosen her, behielt ihn im Auge, fing aber nicht an zu rennen. Sie hielt sich am Rand des Bürgersteigs, von wo aus sie sich jederzeit in einen Eingang oder eine Auffahrt flüchten konnte, um nicht gesehen zu werden. Auf dieser Straße, leer bis auf die Dunkelheit und den Regen, war sie so gut zu erkennen wie ein Leuchtturm. Auf der Straße kam ihr ein Auto entgegen, Wasser spritzte auf, und einen Moment lang dachte sie, es sei Russ, und sagte: »Sind Sie das? Sehen Sie mich?«, aber es war ein Camaro, der an ihr vorbeifuhr, sie in Scheinwerferlicht tauchte, sie fast durchnässte. Sie sprang aus dem Weg, und als sie aufsah, war die Gestalt an der Ecke stehen geblieben. Beobachtete sie.
    »Oh, Mist, er hat mich gesehen.«
    »Wo sind Sie?«
    Dann beugte sich der Schatten über den Lenker und war fort, ehe sie die Bewegung richtig wahrgenommen hatte. »Er haut ab!« Sie rannte der verschwundenen Gestalt nach.
    »Wo?« Russ’ Ton war geduldig, aber abgehackt vor unterdrückter Sorge.
    »An der Kreuzung ist er nach links abgebogen. Ich weiß nicht, wie die Straße heißt. Weg von den Häusern der Rouses und Burns.« Es war schwierig, mit ans Ohr gepresstem Handy zu rennen. »Ich stecke Sie einen Moment in die Tasche.« Sie tat es, während sie um die Ecke bog. Der Klinikeinbrecher war mindestens einen Block vor ihr, sein Mantel flatterte gegen das Hinterrad, der Hut wippte. Einen Augenblick sah sie den weißen Schatten eines Gesichts, das sich nach ihr umwandte, dann war die massige Gestalt erneut verschwunden. Wohin? Sie ging schneller, ihre Stiefel hämmerten auf das Pflaster, ihr Atem rasselte in ihren Ohren. Der Regen peitschte ihr Gesicht, zwang sie, die Augen zusammenzukneifen und den Blick zur Seite zu wenden. Sie platschte über eine Straße und blieb schlitternd vor der zweiten stehen.
    Sie griff nach ihrem Handy. »Ich glaube, er ist über die Fisher Street abgehauen.«
    »Dort unten ist ein richtiger Kaninchenbau aus lauter kurzen Straßen. Ich fahre zum Flussufer, dann bin ich vor Ihnen.«
    Sie rannte über die Straße, sprang mit einem Satz über den Bürgersteig und drängte sich durch ein paar klatschnasse Eiben, um eine Abkürzung durch einen fremden Garten zu nehmen. Fast hätte sie auf den morastigen Überresten des letztjährigen Rasens das Gleichgewicht verloren, stolperte aber bis zur Querstraße weiter, den flatternden Mantel des Eindringlings vor Augen.
    Sie hielt ihr Handy wie ein Mikro vor den Mund. »Er überquert den Friedhof.« Sie steckte es wieder ein und nahm die Verfolgung auf. Bei jedem Schritt spritzte Wasser über ihren Mantel, und sie war mehr nass als trocken. Sie trat durch den Eingang in der niedrigen Backsteinmauer des Friedhofs, während sie sich den Regen aus den Augen wischte, um die fliehende Gestalt nicht aus dem Blick zu verlieren. Bitte mach, dass er sich nicht in der Leichenhalle versteckt, dachte sie. Die im Winter Verstorbenen mussten in Millers Kill bis zum April auf ihr Begräbnis warten; die langgestreckte, halb unterirdische Leichenhalle würde mittlerweile voll sein.
    Aber wer immer es war, er schien nicht stehen bleiben zu wollen. Der wagenradgroße Hut erschien immer wieder in Clares Blickfeld, eilte überstürzt zum Seitenausgang des Friedhofs. Sie sprang über in steinige Bäche verwandelte Gehwege und Gräber, die schwammige Erde unter ihren Stiefeln gab nach. Sie lief im Zickzack um eingezäunte Familiengräber und geschwungene Steinbänke. Die Gestalt verschwand hinter einem Vorhang aus Bäumen. Als sie lossprintete, um ihn einzuholen, musste Clare einer Eiche aus Bürgerkriegszeiten ausweichen und fand sich einen Kniefall entfernt von James und Nancy McKeller, Ehemann und Weib, wieder. Sie nahm deren Grabstein mit einem wilden Luftsprung und kam hart auf, taumelte, gewann das Gleichgewicht zurück und raste durch den Seitenausgang.
    Aus ihrer Tasche tönte eine gedämpfte Stimme. Sie benötigte zwei Versuche, bis sie das Handy herausgezogen hatte, weil ihre nassen Finger am Kunststoff abglitten. »Wo sind Sie?«, fragte Russ.
    Sie warf einen Blick auf das tropfende Straßenschild. »Second Avenue.« Ein grandioser Name für einen einzelnen Block einstöckiger Häuser. Sie joggte den Bürgersteig entlang, das Handy ans Ohr gepresst. »Wo sind Sie?«
    »Auf der Lower First Avenue. Ich schätze, er will zu den alten Schiffsmaklerhäusern.«
    »Den was?«
    »Erklär ich Ihnen

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