Die Blendende Klinge
Karten fallen lassen. Während er sie langsam aufhob, gewann er allmählich die Fassung zurück.
»Ab und zu ist es ganz amüsant, Kip, aber ich dulde nur ein Mindestmaß an Respektlosigkeit. Vergiss es nicht, oder du wirst daran erinnert.«
»Also, wollt Ihr es mir nun sagen oder nicht?«, bohrte Kip weiter. Er wusste, dass er im Begriff stand, den Bogen zu überspannen, aber Andross Guile ließ es ihm diesmal durchgehen.
»Es hängt davon ab, wie gut du Neun Könige spielen kannst.«
Kip war ausnahmsweise einmal zu klug, um nun zu erwidern: Aber worum geht es im Endspiel, Alterchen? Sicher, die Guiles beherrschen fast die ganze Welt, aber Prismen leben nicht ewig. Deine Familie ist schon fast ausgelöscht. Was willst du?
Vielleicht hatte Andross Guile so lange Ränke geschmiedet, dass er zu etwas anderem gar nicht mehr in der Lage war. Vielleicht gab es für ihn gar kein Gewinnen, und er wusste darum, aber Verlieren war definitiv möglich, und sein Stolz würde ihm das nicht gestatten. Also würde er kämpfen und kämpfen und hundert andere Familien ruinieren und sich weiter an seine Macht klammern, bis sie ihm endlich in seiner Krypta unter der Chromeria den Deckel über dem Kopf zunagelten.
»Ich habe nicht mehr so viel übrig, was Ihr mir wegnehmen könnt«, sagte Kip. »Also, wie viele Male können wir noch spielen?« Wenn ich nichts mehr zu verlieren habe, werde ich nach einer Weile nur noch gewinnen können.
Aber die Vorstellung, dass Andross Guile ihn in eine Situation bringen könnte, in der ihm nur noch Gutes zustoßen würde, verbat sich von selbst.
»Noch dreimal«, antwortete Andross.
Er hatte sich bereits alles überlegt, der alte Hai.
Kip sagte nichts, und siehe da, sein Schweigen zahlte sich doch tatsächlich aus. »Einmal spielen wir darum, wem Adrasteia gehört. Und wenn wir dann wieder spielen, spielen wir um deine Zukunft.«
»Ich glaube nicht, dass ich Euch besonders mag«, erwiderte Kip.
»Das ist jammerschade, denn ich beabsichtige, dafür zu sorgen, dass du mich fast so sehr hasst wie deine eigene Mutter.«
»Tut das nicht«, sagte Kip, plötzlich ganz kalt und gefasst.
»Wie bitte?«, entgegnete Andross Guile.
»Tut das nicht« , wiederholte Kip.
Wieder die taxierende Neigung des Kopfes. »Du kommst«, sagte der alte Mann.
In der siebten Runde machte Kip einen Fehler. Er unterschätzte die Art und Weise, wie sich die Fähigkeiten der Karten gegenseitig verstärkten, und sah dann zu, wie Andross mit einer glänzenden Serie gelungener Spielzüge brillierte. In der nächsten Runde verlor Kip.
Mit einem Seufzen sammelte er seine Karten ein. Es war, wie Andross Guile gesagt hatte, ein Übungsspiel, sogar ohne Sanduhren, die die für jeden Spielzug zur Verfügung stehende Zeit eingrenzten. Aber Kip hätte gewinnen können. Mit Glück konnte er gegen Andross Guile gewinnen. Es war möglich, selbst wenn er mit einem von Andross Guiles Decks spielen musste. Nur eben unwahrscheinlich. Kip blätterte das Deck durch, schaute sich an, welche Karten als Nächste gekommen wären, sah nach, was vielleicht passiert wäre, wenn er es nicht vermasselt hätte.
»Wie lange habe ich Zeit?«, fragte Kip.
»Ein Wandler von deinen Fähigkeiten? Vielleicht fünfzehn Jahre«, erwiderte Andross Guile. Aber er grinste dabei. Er wusste, dass Kip etwas anderes meinte.
Und so schluckte Kip den Köder nicht. Ausnahmsweise einmal.
»Eine Woche, dann spielen wir das erste Spiel. Ich werde inzwischen die Sachlage mit ihrer gegenwärtigen Besitzerin klären. Und du kannst darüber fantasieren, was du mit ihr anstellst, falls du gewinnst. Natürlich musst du zuerst gewinnen.« Andross Guile kicherte. »Du glaubst, du wirst ihr die Freiheit schenken, nicht wahr? In Wirklichkeit bist du aber gar nicht so selbstlos, wie du denkst. Niemand, der auch nur einen Tropfen Guile-Blut in sich hat, ist selbstlos. Blut ist Schicksal, Bastard. Vergiss das nicht.«
Kip hörte seine Worte, aber plötzlich verloren sie alle Bedeutung, versanken mit einem gewaltigen Schlag in der Belanglosigkeit. Das Bild einer der weißen Karten war anders, als er es in Erinnerung hatte. Vielleicht war es ihm auch einfach nicht aufgefallen, weil er sich hauptsächlich mit den stark verkleinerten Abbildungen der Karten in seinen Büchern beschäftigt hatte. Himmelsfinger hieß die Karte. Sie zeigte einen Dolch: weiß, von schwarzen Adern durchzogen und mit sieben farblosen Diamanten besetzt, die in der Klinge glänzten. Es war der Dolch,
Weitere Kostenlose Bücher