Die Blendende Klinge
die meisten Jungen.«
»Gedanken worüber?«, fragte Kip. Der alte Mann begann manchmal, einfach über das zu reden, was ihm durch den Kopf ging, ohne sich die Mühe zu machen, für seine Zuhörer eine Verbindung herzustellen.
»Ob du selbst der Lichtbringer sein könntest natürlich.« Es lag ein gleichermaßen brutaler wie amüsierter Unterton in Andross Guiles Stimme, als jongliere er mit Feuer und werfe es Kip brennend ins Gesicht.
»Nein«, antwortete Kip. Etwas in ihm verkrampfte sich. »Lasst uns spielen.«
»Es heißt, er sei von geheimnisvoller Geburt, und deine ist zumindest ungewiss – was schon reichen könnte.«
Kip wurde rot. »Ihr seid dran«, sagte er.
»Die alten Prophezeiungen besagen, er werde von seiner Jugend an ein ›großer‹ Mann sein, was im parianischen Original auch ein Wortspiel sein könnte – eine andere Bedeutung des Wortes für ›groß‹ ist ›rundlich‹. Was … nun ja.«
Stirb, du altes Krebsgeschwür. »Ihr seid dran«, wiederholte Kip.
»Aber ich ziehe gerade, siehst du das nicht?«, fragte Andross. »Wenn der Lichtbringer kommt, wird er alles auf den Kopf stellen. Jeder mit Reichtum, Rang oder Macht wird ihn fürchten, da er ihm alles zu nehmen vermag. Aber alle, die nichts von alledem haben, werden ihn lieben, weil sie hoffen, dass er ihnen all das verleihen wird. Also, welche Rolle wirst du spielen, Kip? Garten.«
Garten? Ach so, er sagt nur den Schauplatz des Spiels an.
Kip zog seine Karten – und hatte Glück. Eine Handvoll Zeitkontrollkarten.
Die ersten Runden verwandte Kip darauf, in verschiedenen Farben das Licht zu sammeln, das er benötigte, und verhielt sich ansonsten untätig.
Andross spielte einen Superchromaten aus, für ein gelbes Kartendeck eine machtvolle Karte, die bedeutete, dass seine Zauber nicht scheitern konnten, und dann wandelte er ein gelbes Schwert, wofür er zwei Runden brauchte: eine zum Wandeln und eine, damit es sich festigte.
Als Kip die Panik-Karte ausspielte, verzog der alte Mann die Lippen. Er kannte kein grünes Kartendeck, das die Strategie verwendete, deren sich Kip gerade bediente. Andross’ Fünf-Sekunden-Sanduhren wurden durch Vier-Sekunden-Sanduhren ersetzt.
Und das Vergnügen, gegen den eiskalten alten Mann, der vermutlich noch nie in seinem Leben in Panik geraten war, eine Panik-Karte auszuspielen, war für Kip wie ein gelungener Dolchstoß ins Herz.
Andross griff an, und Kip versuchte nicht einmal, ihn zu stoppen. Die Attacke kostete ihn fast sein halbes Leben.
Kip spielte eine zweite Panik-Karte. Die Vier-Sekunden-Sanduhren wurden nun durch Drei-Sekunden-Sanduhren ersetzt.
Es war natürlich eine durch und durch unfaire Strategie. Der blinde Mann brauchte schon mindestens eine Sekunde länger als ein Sehender, um zu erkennen, welche Karte gespielt worden war, und drei Sekunden waren eine viel zu kurze Zeit, um gute Taktiken entwickeln zu können.
Er griff erneut an, und um ein Haar hätte es Kip dennoch das Leben gekostet. Dann zog Kip mit ein paar schwachen Angriffen nach, wobei er nur mit Mühe am Leben blieb. Zwischen seinem eigenen Ausspiel und dem Lesen von seiner und dann von Kips Karte blieb Andross nun überhaupt keine Zeit mehr.
Kip entwaffnete ihn und spielte seine Karten, so schnell, wie er konnte, um Andross so wenig Zeit wie irgend möglich zu lassen. Nach fünf weiteren Runden, nachdem er hundert Mal in der Art eines Schwächlings zugestochen hatte, war der alte Mann tot.
Andross’ Faust krachte auf die Tischplatte, und er fegte die Sanduhren vom Tisch, wobei er einige an die Wand schmetterte. Er ballte die Hände und schüttelte die Fäuste.
»Gib mir deine Karten«, rief er und konnte seinen Zorn kaum zügeln.
»Sie liegen auf dem Tisch. Vor Euch«, erwiderte Kip. Seine Stimme klang dünn und angespannt. Irgendwo tief in seinem Innern wunderte er sich, warum er so viel Angst vor einem alten, gebrechlichen Mann hatte – aber die hatte er.
Andross blätterte das Kartendeck mit einer für seine Blindheit erstaunlichen Geschwindigkeit durch. »Du hast die Kartendecks ausgetauscht«, stellte er fest. »Grinwoody?«
»Herr, ich habe es nicht gesehen. Es war mein Fehler.«
Andross brüllte mit rauer Stimme: »Ich weiß, dass es dein Fehler war!« Kip wurde plötzlich überdeutlich bewusst, dass Andross Guile der Rote war. Er hatte rotes Luxin nun schon doppelt so lange eingesetzt, wie Kip am Leben war. Die Dunkelheit im Raum diente dazu zu verhindern, dass Andross ein Farbwicht
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