Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Blendende Klinge

Die Blendende Klinge

Titel: Die Blendende Klinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
Vom Netzwerk:
wurde … »Hinaus mit dir, Bastard! Hinaus!«
    Kip saß ganz still. Biss sich auf die Lippen.
    »Ich sagte, hinaus !« Andross tobte.
    Kip duckte sich. Sehr leise und respektvoll sagte er: »Ich brauche Teias Papiere, Herr. Und meine Karten. Bitte.«
    Andross knurrte und warf Kip die Karten ins Gesicht. Er sprang auf und stürmte in sein Schlafzimmer. In der offenen Tür blieb er stehen, ohne sich jedoch umzudrehen. »Grinwoody!«, bellte er.
    »Ja, Herr«, sagte der Sklave. Nach all den Jahren, die sie zusammen zugebracht hatten, konnte der kleine Mann aus den geringsten Modulationen seiner Stimme genau herauslesen, was der Rote von ihm wollte.
    Die Tür flog hinter Andross ins Schloss, und Kip hob seine verstreuten Karten auf. Grinwoody brachte einen Stapel Papiere und Andross Guiles Siegel.
    »Name der Mutter?«, fragte Grinwoody mit leiser Stimme.
    »Katalina.«
    »Der volle Name.«
    »Katalina Delauria.« Grinwoody nickte, als hätte er es ohnehin schon gewusst und wollte nur eine Bestätigung erhalten. Kip war sich vage bewusst, dass Andross Guile selbst jetzt in der Niederlage neue Informationen aus Kip herausholte. Kip hatte keine Ahnung, wofür ihm diese Informationen nützlich sein könnten, aber er wusste, dass die Spinne mit jedem Atemzug seidene Schlingen webte.
    Grinwoody füllte die Formulare aus, versiegelte sie und händigte sie Kip aus. Auf den Papieren befand sich ein brauner Fleck. Blut? »Überreicht diese Papiere dem Hauptschreiber im Turm des Prismas. Und, Glückwunsch, Ihr seid jetzt der Besitzer einer jungen Sklavin. Viel Vergnügen.«

59
    ~Schimmermantel~
    Eins, zwei, drei, vier …
    Losgelassen in Zeit und Raum.
    Aufgelöst.
    Als seine Finger alle Punkte berührt hatten, fühlte es sich für ihn an, als würde sich eine Schriftrolle entfalten. Nicht einfach nur die Sinne: Die fünf Grundfarben ermöglichten das Sehen, Fühlen, Hören, Riechen und Schmecken – aber noch mehr. Ultraviolett und Blau vereinten sich durch seinen Daumen am linken unteren Rand der Karte: Städte und Makrostrukturen, deren Umrisse in klaren, logischen Konturen brannten und sich dann aus dem Blatt heraus erhoben; Konturen der Vernunft, des Denkens, der Geschichte, der Kausalität nahmen Gestalt an – und er tauchte immer noch tiefer ein.
    Durch seinen Zeigefinger nahm er das Grün am oberen linken Rand der Karte wahr. Das Körperliche: die Gesundheit, die Gestalt des Körpers, den er, wie er nun wusste, bewohnen würde, aber auch die Körper um ihn herum, die physische Gegenwart, das Leben – die Kranken, die Schwachen, die vor Leben nur so Strotzenden. Und selbst noch die blinkenden Fische in der Bucht, das Hintergrundlicht des Lebens in den Wellen und der stille Frieden, der aus den Gräsern und Bäumen dieser Insel aufstieg. Sein Körper auf dieser Karte war kräftig, ein Mann in der Blüte seiner Jahre, wenn auch mit mancherlei Beschwerden. Vielleicht eine Art Krieger? Eine alte Rückenverletzung, nie ganz ausgeheilt. Ein Knöchel, der ein Dutzend Mal umgeknickt und immer schwach geblieben war. Tiefer fühlte er die Kraft seiner Muskeln, die Anmut eines Kämpfers, der in einer Tanztruppe aufgewachsen war, fühlte die aufgestaute Geschlechtsgier eines Mannes, der die Frau begehrt, mit der er reist.
    Der nächste Finger, der die Karte berührte, war sein Ringfinger. Die Ecke oben rechts. Orange. Wenn Grün das Leben war, war Orange die Verbindungen zwischen den Lebenden. Jene leuchtenden blauen Konturlinien der Kausalität, der Logik, erwachten durch Orange erst zum Leben. Ohne Orange waren sie bedeutungslos. Einige dieser blauen Strukturen waren die Lügen, die er erzählt hatte, die Fundamente, die er gelegt hatte, für Falschheiten, falsche Spuren, Täuschungen, die seine Inquisitoren irreführen sollten. Und jetzt, ziemlich plötzlich, bekam der junge Mann einen Eindruck davon, wie gefährlich dieser Mann war. Er hatte so etwas Verkümmertes . Er hatte ein Verhältnis mit Niah gehabt, das war die Frau, wie ihm nun klar wurde. Seine Partnerin, eine Frau, die er einfach immerzu anstarren muss: bewundernd, verlangend, hasserfüllt. Er hatte sie einmal verführen können, ein einziges Mal, ganz am Anfang.
    Hinterher sagte sie, dass sie ihn umbringen würde, wenn er es wagte, sie noch einmal anzurühren. Behauptete, er sei zu grob gewesen – oder etwas in der Richtung.
    Sie wollte einfach nicht zugeben, wie sehr es ihr gefallen hatte. In dem Punkt war sie schwach. Schüchtern. Aber sie konnte kämpfen.

Weitere Kostenlose Bücher