Die Blendende Klinge
führten, dass sich Idoss im letzten Krieg kampflos ergeben hat? Ich werde einfach das Gleiche tun, nur diesmal andersherum. Idoss wird ein Fanal für die Welt sein, und Ihr dürft entscheiden, welcher Art – ein Fanal meiner Großzügigkeit, das demonstriert, wie gut ich zu denen sein kann, die ich erobere, oder ein Fanal meiner Bösartigkeit, das zeigt, wie unerbittlich grausam ich denen gegenüber bin, die sich mir entgegenstellen. Die Kinder Eurer Stadt werden getötet – zu viele Münder zu füttern, zu groß die Wahrscheinlichkeit, dass sie krank werden oder einen Groll entwickeln, wenn sie groß geworden sind. Die Frauen werden entweder getötet oder von der Armee in Dienst genommen, wenn sie hübsch oder nützlich genug sind. Die einzigen Männer und Frauen, die unbehelligt bleiben werden, sind Eure Sklaven. Und es wird ihnen freistehen, so viele Güter ihrer Herren zu behalten, wie sie wünschen. Meine Leute in der Stadt sind bereits dabei, ihnen diese Neuigkeit mitzuteilen. Wie viel Vertrauen habt Ihr in Eure Sklaven, Corregidor Kata? Wenn Ihr uns aus irgendeinem Grund tatsächlich ein, zwei Wochen oder gar einen Monat lang Widerstand leisten könnt, glaubt Ihr nicht, dass die Sklaven dann zu uns überlaufen könnten? Oder habt Ihr sie so gut behandelt, dass ihre Treue unerschütterlich ist? Was Euch betrifft, so werde ich mein Mögliches tun, um Euch lebend zu fangen. Eure Zeugungsorgane werde ich Eurem Vater schicken lassen. Ich werde Euch Arme und Beine abhacken, Euch in Purpur kleiden und Euch eine Krone auf den Kopf setzen. Vielleicht blende ich Euch auch. Ich bin noch unschlüssig, womit ich ein besseres Exempel statuieren kann. Mit Zunge oder ohne? Ich werde es vermutlich von Eurer Haltung abhängig machen. Ungeachtet dessen werde ich mir Zeit lassen. Ihr werdet noch lange und unter größten Qualen leben, das verspreche ich Euch.«
Der Corregidor sah unzweifelhaft so aus, als wäre ihm übel. »Ihr seid wahnsinnig«, sagte er. »In der einen Sekunde sprecht Ihr so, als wärt Ihr eine Art Luxiat und hättet alle möglichen Prinzipien, und in der nächsten redet Ihr davon, hunderttausend Menschen zu ermorden.«
Derselbe Gedanke war auch Liv schon in den Sinn gekommen, aber nun beschäftigte sie ein anderer. Es gab nur einige wenige Menschen auf der Welt, deren Fähigkeiten absolut überwältigend und einschüchternd waren – und sie war den Besten von ihnen begegnet: Gavin Guile und nun Koios Weißeiche. Diese beiden, und vielleicht noch ein paar wenige andere, wie die Weiße, standen weit über Liv. Aber niemand sonst. Sie hätte hier eine bessere Figur abgegeben als dieser Junge – und er war zwei oder drei Jahre älter als sie und genoss all die Vorzüge, die es bedeutete, als der Sohn eines Satrapen aufgewachsen zu sein. Der Grund dafür, dass der Farbprinz sie wie eine tüchtige Erwachsene behandelte, war nicht, dass er ihr schmeicheln wollte – auch wenn er das tat, was sie beide wussten –, sondern weil sie es verdiente, wie eine Erwachsene behandelt zu werden. Nicht, dass sie unglaublich begabt wäre; es war nur so, dass die Menschen, die sie immer für unglaublich begabt gehalten hatte, tatsächlich auch nicht begabter waren als sie selbst. Sie war ihnen ebenbürtig. Und sie war noch jung. Mit der Zeit würde sie den meisten von ihnen überlegen sein. Warum hatte die Chromeria sie nie entsprechend behandelt?
Warum nicht einmal ihr eigener Vater?
Der Farbprinz fuhr fort: »Wir alle fällen Entscheidungen, und dann tragen wir die Verantwortung dafür. Unglücklicherweise müsst Ihr gerade eben die Entscheidung für all die Leute und für mich treffen. Sie sind Eure Opfer, nicht meine. Sobald ich hier das Sagen habe, steht es ihnen frei, für sich selbst zu entscheiden. Es gibt keine Möglichkeit, die Chromeria zu stürzen, ohne dass Leute wie Ihr ein Blutbad erzwingen. Wenn es einen solchen Weg gäbe, würde ich ihn auf der Stelle einschlagen. Dies hier ist die einzige Art, wie ich den erforderlichen Wandel herbeiführen kann, also werde ich es auf diese Weise tun.«
»Ihr tut es, weil Ihr es könnt«, entgegnete der Corregidor, der seine Angst zurückdrängte.
»Weil ich es kann. Weil ich es will.«
»Also gilt: Macht schafft Recht?«
Der Farbprinz war stahlhart. Ungerührt, unnachgiebig, ohne Entgegenkommen. »Macht schafft kein Recht. Macht schafft Realitäten.« Er starrte den Corregidor lange genug an, um ihm das Gefühl tonnenschwerer Unabänderlichkeit zu geben, dann
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