Die Blendende Klinge
Fehler wiedergutzumachen, auch wenn das bedeutete, dass sie vergaß, dass er sie hier haben wollte, wenn er nach Hause kam. Betrug war ihrem Wesen fremd.
»Ah ja.« Mist.
»Können wir noch irgendetwas für Euch tun, Herr?«, fragte Gavin Gräuling.
Gavin blickte den Jungen versonnen an und sagte: »Ich bin in den letzten vier Monaten mit einer Frau gereist, die ich unglaublich verführerisch finde, die ich aber niemals besitzen kann. Insofern: Nein, ich fürchte, die Pflicht, die meine Kammersklavin nun erfüllten sollte, ist keine, die ich von euch erbitten würde.«
Gill brach in Gelächter aus. Gavin Gräuling brauchte etwas länger.
»Sprecht Ihr von Wachhauptfrau Ka… Aua!« Er schrie auf, als Gill ihm das Ende seines Speers auf den Fuß stieß.
Gavin Gräuling sah seinen Bruder verärgert an und wurde dann bleich. »Oh. Oh. Äh. Entschuldigt, Herr. Möchtet Ihr, dass einer von uns sie holen geht? Sie, die Kammersklavin, meine ich, Herr. Nicht die Wachhaupt… Auch wenn ich glaube … Ähem.«
Auch wenn sie es anboten, wusste Gavin doch, dass er die ihm dienenden Schwarzgardisten nicht als seine Laufburschen einsetzen sollte. Es war sehr gut möglich, dass sich diese jungen Männer für ihr Angebot Schwierigkeiten einhandeln würden. Nein, er hatte sich die Zeit für eine Unterhaltung mit ihnen genommen, um dadurch ein gutes Verhältnis mit ihnen aufzubauen und sicherzustellen, dass sie keine Meuchelmörder waren. Er würde dieses gute Verhältnis jetzt nicht seinen aufmüpfigen Lenden opfern.
Aber er war nahe dran.
Die Tür schloss sich hinter ihm, und langsam ging er zu dem Gemälde hinüber. Er fühlte sich erschöpft, und die wachsende Verzweiflung quälte seine Eingeweide. Er warf einen sorgfältig prüfenden Blick auf das Bild, untersuchte die verborgene Angel und sah keinerlei Anzeichen dafür, dass sich jemand daran zu schaffen gemacht hatte. Der Bilderrahmen müsste jedoch neu gestrichen werden. Von dem Öl an seinen Fingern war der eine Rand glatt und abgegriffen. Das würde er verbergen müssen. Er zog, und das Bild schwang auf.
Die Verkleidung, unter der sich das flüssige gelbe Luxin befand, war wie immer. Das Luxin zeigte keinerlei Aktivität, solange die Alarmvorrichtung keine Luft hineinließ, so dass es schwach leuchtete. Der Alarm war nicht ausgelöst worden.
Er wandelte Ultraviolett und drang tiefer hinab, drückte das Ultraviolett in die Höllensteinverkleidung, spürte die rauen Fasern, mit denen er sie überzogen hatte, so dünn, dass sie bei der leisesten Berührung zerreißen mussten – so dünn, dass sie ihm verraten würden, wenn sich jemand hier zu schaffen gemacht hatte. Er ertastete den Mechanismus. Er war unberührt.
Einen verrückten Moment lang dachte er, es sei alles ein Irrtum gewesen. Dazen war noch immer im blauen Gefängnis! Nichts war schiefgegangen! Er war nur in Panik geraten, weil er Blau verloren hatte. Weil er einen Alptraum gehabt hatte, in dem sein Bruder entflohen war – wovor er sich seit sechzehn Jahren gefürchtet hatte, und da waren, jetzt, nachdem er Blau verloren hatte, solche Ängste auch kein Wunder.
Nur dass auch das Dritte Auge gesagt hatte, dass sein Bruder aus dem Blauen ausgebrochen sei.
Aber Seher irren sich oft, nicht wahr?
Sie nicht.
Gavin wandelte weiter, drang tiefer vor, hinab zur Rutsche. Sie hatte sich bewegt. Sie hatte sich zu Grün hinüberbewegt.
Also war sein Bruder aus dem blauen Gefängnis ausgebrochen, saß jedoch immer noch im grünen Gefängnis fest. Der blaue Alarm hatte versagt, aber der Gefangene hatte weiter zu essen. Sie hatten ihm zwar blaues Brot in sein grünes Gefängnis geschickt, aber er war dennoch nicht ausgebrochen. Entweder hatte ihn das Grün so wild gemacht, dass er nicht mehr klar genug denken konnte, oder die Farbe des blauen Brots lag, wenn es von grünem Licht erleuchtet wurde, in einem dem Grün zu nahen Bereich des Spektrums, um den Gefangenen mit verwendbarem Luxin versorgen zu können. Er war im Grünen, und er lebte.
Auch wenn sich das gewaltige Gewicht, das auf Gavin lastete, nicht so recht von seinen Schultern lösen wollte, war es doch zumindest ein wenig zur Seite gerutscht und jetzt angenehmer zu tragen. Dieser Notfall zumindest konnte bis zum Morgen warten. Er war nicht bereit, seinem Bruder zu begegnen, nicht nach diesem Tag. Er würde sich ausruhen, zur Besinnung kommen und sich ihm dann entgegenstellen. Morgen.
Er trat an seinen Schreibtisch, nahm die zusammengelegten
Weitere Kostenlose Bücher