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Die Blendende Klinge

Die Blendende Klinge

Titel: Die Blendende Klinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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den Mäusen vielleicht? Du bist an dein Zimmer gefesselt.«
    »Du hältst mich wohl für einen zahnlosen Tiger, bloß weil ich alt bin?«, fragte Andross Guile.
    Im Alter verlieren die Leute nun mal ihre Zähne. »Ich glaube, du stellst dich mir deshalb entgegen, um zu zeigen, dass du dazu in der Lage bist. Das ist dein einziger Grund. Und das macht mich wütend, wie es auch dich wütend machen würde, wenn du ich wärst.«
    »Du bist ein dummer Junge. Wie lange lenke ich schon dein Handeln? Hätte ich jemals etwas ohne guten Grund getan?«
    Gavin schwieg.
    »Du wirst heiraten, Gavin. Noch im Laufe der Woche. Ich habe beschlossen, dass …«
    »Hast du dieses Mädchen geschickt?«
    »Wie bitte?«
    »Hast du Ana Jorvis letzte Nacht auf mein Zimmer geschickt?«
    »Die törichte Schlampe hat entweder versucht, dich zu verführen, um ihrer Familie die Chance auf eine Heirat mit dir zu bewahren – die sie allerdings schon verloren hatte, was ich ihnen auch mitgeteilt habe –, oder …« Andross Guile zuckte die Achseln. »Oder sie war wirklich eine Meuchelmörderin. Ich habe gerüchteweise gehört, dass der Orden junge Mädchen rekrutiert. Vielleicht hat sie auch nur gehofft, du würdest nun endlich ihrer mädchenhaften Wollust erliegen, was, wie ich gehört habe, ja auch der Fall war, nicht wahr?«
    »Ich habe gedacht …« Nein. Gavin hatte nicht vor, mit seinem Vater darüber zu reden, mit wem er ins Bett ging oder ins Bett gehen wollte.
    »Ha! In der Nacht sind alle Katzen grau?« Da Gavin nicht antwortete, fuhr der Rote fort: »Tisis Malargos – du wirst sie heiraten. Binnen einer Woche. Keine Idealpartie, aber Krieg steht vor der Tür, und alle, die eine wichtige Rolle spielen, sind bereits hier. Und ich spare mir dadurch immerhin ein Vermögen. Außerdem brauchen wir dringend Verbündete. Warum musstest du das Mädchen auch über dieses verdammte Geländer werfen?«
    »Es war ein Unfall«, fauchte Gavin.
    Der Rote ließ sich in seinen Stuhl zurückfallen, und ein triumphierender Blick breitete sich über sein Gesicht aus. »Also hast du sie geworfen.«
    Er sagte es so, als sei es für ihn eine neue Information. Gavin fluchte. Fluchen war sicher.
    »Wie hast du das mit den Schwarzgardisten gemacht? Wie hast du es hinbekommen, dass sie für dich lügen? Ich habe selbst versucht, mir diese Knaben zu kaufen – bist du da schneller gewesen?«, fragte Andross Guile.
    Sie hatten für ihn gelogen. Gavin und Gill hatten für ihn gelogen.
    »Ist obendrein noch eine ziemlich gute Lüge: Du, in wilder Wut darüber, getäuscht worden zu sein, brüllst herum. Sie gerät in Panik. Sie springt. Du machst dir Vorwürfe und ergreifst die Flucht. Es wird die Feindschaft, die die Familie Jorvis dir gegenüber entwickeln wird, nicht abmildern, aber es rettet dir dein Amt, und es gibt zu viele Zeugen, die für dich beschwören werden, dass sie gesprungen ist. Was uns zurück zum Thema bringt, dass wir dringend Verbündete brauchen.«
    Die Gnade des Schicksals traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Völlig unerwartet, völlig unverdient. Ana war eine Närrin gewesen, aber sie hatte den Tod nicht verdient, den Gavin ihr gebracht hatte. Orholam, erbarme dich.
    Gavin holte tief Atem. Er sammelte all diese Gefühle, verschloss sie in seiner Brust und schob sie zur Seite. Ich werde später um dich trauern, Ana, und deiner Familie Wiedergutmachung leisten, du verfluchte Dirne. Es tut mir leid.
    Der heutige Tag war eine Prüfung. Wenn er fünf weitere Minuten mit seinem Vater überstand, konnte er womöglich den ganzen Tag überstehen. Wenn er den Tag überstand, würde er womöglich noch einen Monat lang leben. Wenn er noch einen Monat lang lebte, war auch ein Jahr möglich.
    »Nein«, sagte Gavin.
    »Bei Orholam, und beim nächsten Mal zeigst du vielleicht etwas mehr Selbstbeherrschung?«
    »Selbstbeherrschung ist etwas für die, die nicht über andere herrschen«, entgegnete Gavin. Dann erinnerte er sich, wer ihm diesen Satz beigebracht hatte: dieser Mann da mit dem grimmigen Lächeln. »Die Antwort lautet: nein.«
    Andross Guile erwiderte: »Du scheinst dich der falschen Annahme hinzugeben, dass ich dir eine Wahl lasse.«
    »Da ist nichts falsch: nein.« Gavins Stimme blieb ruhig, höflich, fest.
    »Wenn du dich entscheidest, mir nicht zu gehorchen, entscheidest du, dass ich dich verstoßen muss.«
    Die Drohung nahm Gavin buchstäblich den Atem.
    »Du glaubst, das könnte ich nicht? Du glaubst, weil du mein einziges Kind bist,

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