Die Blendende Klinge
retten, also nicht den Eindruck eines Idioten zu machen, wird er sich lieber wie einer verhalten und Euch belügen, was Ihr aber erst herausfinden werdet, wenn es zu spät ist. Und ich bin selbst durch dieses Land marschiert. Wenn man nicht belästigt wird und keine Wegezölle entrichten muss, ist dieser Abschnitt recht leicht zu bewältigen. Ich habe die Strecke in drei Wochen zurückgelegt, aber mein Bruder hatte Saboteure und Plünderer eingesetzt, die uns ängstlich und übervorsichtig machten. Wenn man den Truppen des Farbprinzen die Möglichkeit gegeben hat, da einfach durchzumarschieren, werden sie schneller vor Ru sein, als Ihr denkt. Eure Spione haben die falschen Informationen für Euch zusammengetragen. Wichtig ist nicht die genaue Anzahl der berittenen Kämpfer oder wer ein befreiter Sklave und wer ein Freiwilliger ist. Es ist zwar gut, das alles zu wissen, aber was Ihr wirklich wissen müsst, ist, wie viele Ambosse sie haben, wie viele erfahrene Hufschmiede, wie viel Alteisen. Wurden Veteranen aus dem Krieg des Falschen Prismas Führungspositionen übertragen, oder sind diese Positionen an die Lieblinge des Farbprinzen gegangen, die keine Ahnung haben? Wie lang sind ihre Nachschublinien, und wie viel Nahrung liefern sie jeden Tag? Um viele dieser Fragen zu beantworten, ist es jetzt zu spät. Zu spät, um Marodeure einzusetzen, die die Nachschubwagen abfangen, oder Saboteure, die die Ambosse zerstören, die Hufschmiede töten oder die Wagenräder beschädigen, so dass die Wagen zusammenbrechen, bevor sie den Pass der Kleinen Schwester erreichen. Dadurch hättet Ihr Euch einige Wochen mehr Zeit verschaffen können und bei alledem nur ein Dutzend Männer in Gefahr gebracht. Auch der Farbprinz hat noch nie zuvor eine Armee geführt, und man kann es Euch nicht zum Vorwurf machen, dass es noch keiner von Euch getan hat – aber man muss Euch zum Vorwurf machen, dass Ihr nicht die Männer, die mit meinem Bruder oder mit mir marschiert sind, um Rat gebeten habt. Ihr fordert sehr viele Männer zum Sterben auf, ohne dass es einen guten Grund dafür gibt. Tatsache ist, dass Ihr, egal was Ihr macht, Ru nicht retten werdet. Es ist bereits verloren. Wenn Ihr klug wärt, würdet Ihr den Leuten in Ru die Nachricht zukommen lassen, die Stadt zu evakuieren und sich an der Meerenge von Ru neu zu formieren sowie aus der Stadt an Vorräten und Material mitzunehmen, was die Armee des Farbprinzen am dringendsten braucht. Aber das werdet Ihr nicht tun, weil Ihr darauf aus seid, eine Schlacht zu gewinnen statt einen Krieg. Ich habe meine eigenen Kämpfe auszufechten, meine Herren. Kämpfe, die ich noch immer gewinnen kann und die Euch auf eine Weise zu helfen vermögen, die Ihr nicht ahnt. Also einen schönen Tag noch. Wir sehen uns auf dem Schlachtfeld.«
96
Gavin ging den Gang zu seinem eigenen Zimmer hinunter. Gerade als er den Raum betrat, erhaschte er einen Blick auf seinen Vater, der mit dem Aufzug heraufkam. Gut, dass der alte Scheißkerl blind war. Grinwoody begleitete ihn, aber der alte Sklave drehte Gavin den Rücken zu und half dem Alten aus dem Aufzug.
Karris lag schlafend auf seinem Bett. Auf einem Stuhl neben dem Bett saß Hauptmann Eisenfaust. Er rieb sich die Schläfen und dann seinen kahlen Kopf, als Gavin eintrat.
»Hauptmann«, sagte Gavin.
»Lord Prisma.« Die Stimme des großen Mannes klang seltsam kühl.
»Gibt es etwas Besonderes?«, fragte Gavin.
Eisenfaust sah ihn mit festem Blick an. »Ich habe beinahe eine meiner Wachhauptfrauen, eine Freundin, bei einem offenbar gezielten Angriff verloren. Und jemand hat gestern eine meiner Schülerinnen ermordet. Ein paar meiner Frischlinge schwören, dass der Mann auf Kip gezielt hat und das Mädchen zufällig in die Schusslinie getreten ist. Habt Ihr hierzu irgendetwas zu sagen, Lord Prisma?«
»Kann ich Euch genug vertrauen, um offen mit Euch zu sprechen, Eisenfaust?«
Eisenfaust zögerte, wie er es auch sollte.
»Na gut«, sagte Gavin.
Eisenfaust seufzte tief und blickte auf seine Hände hinab. »Wir sind dem Untergang geweiht, nicht wahr?«
Gavin konnte ihm nicht recht folgen. Sie waren dem Untergang geweiht, weil sie einander nicht vertrauten?
»Die Chromeria ist ein vom Blitz getroffener Baum. Er steht noch, ist aber innen tot. Und deshalb werden wir verlieren, glaube ich«, sagte Eisenfaust. »Wir haben alle Macht der Welt, aber unser Glaube ist tot. Wenn wir an das, was wir tun, nicht um seiner selbst willen glauben, dann tun wir es nur, um
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