Die Blendende Klinge
aus Eurem Amt erleichtern können.
»Gavin«, sagte sie. »Die Generäle sind in meinem Zimmer und planen den Einmarsch. Ich glaube, sie könnten Euren Sachverstand gebrauchen.«
Gavin holte tief Luft. Das bedeutete, dass sein Vater dort sein würde. Erst der Regen, dann die Traufe. Er stand auf, beugte sich hinunter, um Karris’ Stirn zu küssen, und ließ seinen Kopf im Nacken kreisen. »Also gut, Orea, lasst uns die Welt retten.«
95
Gavin marschierte in Oreas Zimmer und fand dort die Generäle mit ihren Beratern um einen Tisch versammelt, auf dem etliche Karten in verschiedenen Maßstäben ausgelegt waren. »Ihr habt also Spione in der Armee des Farbprinzen«, sagte Gavin.
»Mehr als ein Dutzend«, erwiderte ein bärtiger parianischer General mit Dreiviertelglatze. Caul Azmith war der jüngere Bruder der parianischen Satrapa. Ein umgänglicher und höflicher Mann, aber nicht besonders schlau.
»Ist das eine Schätzung, oder verfügen wir über zuverlässige Angaben?«, fragte Gavin. Er wollte wissen, ob er sich die Positionen der Armee des Prinzen ansah, die sie vor acht oder zehn Tagen bezogen hatte, oder ob es sich um Mutmaßungen hinsichtlich ihrer gegenwärtigen Stellung handelte.
»Schätzung, auf der Grundlage höchst zuverlässiger Angaben«, erwiderte der General aus dem Blutwald. Er war ebenfalls kahl, obwohl er noch ein junger Mann war. Er hatte Sommersprossen und nicht viel Verstand. Ein hinterhältiger Politiker, der nicht einmal zum Anführer einer Jagdpartie getaugt hätte, geschweige denn zum Kommandanten einer Armee.
»Wie alt sind diese Angaben?«, hakte Gavin nach.
General Azmith antwortete: »Zehn Tage. Mein Kontaktmann hat zwei Tage gebraucht, um zu dem Schmugglerschiff zu gelangen, das die Briefe befördert hat, und das Schiff hatte guten Wind. Sein Kapitän hat sich eine Zulage dafür verdient, es in sieben Tagen hierher zu schaffen. Letzte Nacht ist das Schiff eingetroffen.«
»Nehmt Ihr dieses Schmugglerschiff auch für die Rückreise?«
General Azmith schüttelte den Kopf.
Was für Gavin bedeutete, dass der Kapitän des Schmugglerschiffs vermutlich über seine Reisegeschwindigkeit gelogen hatte, um seine Zulage zu bekommen. Die meisten Schmuggler an der atashischen Küste verwendeten noch immer Galeeren, damit sie auch bei Flaute vorwärtskamen. Außerdem waren diese Schiffe flach gebaut, so dass sie auch Untiefen überqueren konnten, über die die Piratenjäger ihnen nicht zu folgen vermochten. Um diese Zeit des Jahres war es aufgrund der vorherrschenden Winde wenig wahrscheinlich, dass es eine Galeere in sieben Tagen von Atash hierher schaffen konnte. Vermutlich würde es eher neun, vielleicht auch zehn Tage dauern.
Wäre Gavin von Anfang an dabei gewesen, hätten die Dinge anders liegen können. Wäre Gavin der Promachos, dann könnten sie immer noch einen besseren Verlauf nehmen. Aber das durfte er jetzt getrost abhaken. Sein Vater hatte die Sache an sich gerissen, und er würde sie nicht mehr aus der Hand geben. Gavins eigene Aufsässigkeit, sein persönliches Glück einer Hochzeit mit Karris, würde nun Menschenleben kosten.
Aber das war nicht seine Schuld. Gavin würde sich die Verantwortung hierfür nicht zuschieben lassen. Noch vor nicht allzu langer Zeit hätte er das getan. Nein, diese Männer waren als Generäle völlige Fehlbesetzungen, und sie waren von Leuten in diese Position gebracht worden, die es eigentlich besser wissen sollten. Es gab genügend Veteranen des letzten Krieges, denen man die Verantwortung hätte übertragen können. Im Fall der Menschen von Garriston hatte Gavin sein Bestes getan. Er konnte nicht auch für alle anderen die richtigen Entscheidungen treffen.
»Wie schnell seid Ihr abmarschbereit?«, fragte Gavin.
Der Idiot aus dem Blutwald antwortete: »Wir wollen mit den eigentlichen Strategieplanungen erst anfangen, wenn der Luxlord, Euer Vater, eingetroffen ist. Er sollte jeden Moment hier sein, Lord Prisma.«
»Es spielt keine Rolle«, sagte Gavin.
»Lord Prisma?«
»Wenn Ihr in Ru eintrefft, werdet Ihr, wie ich denke, herausfinden, dass sich die Armee hier befindet.« Gavin deutete auf die Kleinstadt Voril, zwei Tagesmärsche von Ru entfernt. »Ihr werdet feststellen, dass der Corregidor vielleicht halb so viel funktionsfähige Kanonen besitzt, wie er angegeben hat, und weniger als halb so viel Pulver, denn er sorgt sich immer viel mehr um sein eigenes Ego als um die Verteidigung der Stadt. Um vor Euch, die Ihr versucht, ihn zu
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