Die Blendende Klinge
einen Stock verschluckt, und einer so ledrigen ruthgarischen Haut, dass sie fast atashisch wirkte, kamen herein und begannen, ihnen die Kleider bereitzulegen.
»Ich habe noch nicht mal bemerkt, dass du all deine Sachen hergebracht hast«, sagte Gavin.
»Ich wollte warten, bis du zurück bist; es schien mir allzu dreist, mich hier breitzumachen, ohne gefragt zu haben, aber meine Schwestern in der Schwarzen Garde haben mich einfach hinausgeworfen.«
Gavin lachte. Während Marissia ihn ankleidete, bemerkte er, dass Karris ihn genau in Augenschein nahm, darauf achtete, wie er Marissia ansah. Sie verbarg es gut, aber sie war eifersüchtig. Für sie war Marissia nichts als ein x-beliebiger Niemand. Sie verrichtete ihre Dienste gewissenhaft, ruhig, auch wenn sie etwas zerzauster und unordentlicher war als für gewöhnlich, aber das lag wohl daran, dass sie höchstwahrscheinlich auf dem Gang geschlafen hatte. Es gab noch ein ungenutztes Kämmerchen in seinen Gemächern, das einst als Sklavenquartier gedient hatte. Gavin würde es am besten für sie entrümpeln lassen. In den letzten zehn Jahren hatte Marissia einfach auf einer Pritsche an einer der Wände geschlafen – wenn sie nicht mit ihm das Bett teilte.
In seinen Jahren als Prisma hatte sich Gavin mehr und mehr daran gewöhnt, nur sehr wenig Privatsphäre zu haben, zumindest gegenüber der Schwarzen Garde oder Marissia. Aber was im Fall der Schwarzgardisten noch ganz amüsant gewesen war, wenn sie ihn damit aufzogen, dass sie ihn und Karris dabei belauscht hatten, wie sie die ganze Nacht lang und manchmal recht geräuschvoll Liebe machten, erschien ihm weniger lustig, wenn er Marissias bemüht ausdrucksloses Gesicht und die tiefschwarzen Ringe um ihre Augen betrachtete.
Das Schicksal von Nationen steht auf dem Spiel, und ich denke an die Gefühle einer Sklavin. Gavin fluchte innerlich.
Sobald er angekleidet war – Karris traf die Wahl der geeigneten Kleider, etwas, was seit Ewigkeiten Marissia getan hatte –, machte sich Gavin auf den Weg nach unten. Er drehte sich nur noch einmal um, um zu sagen: »In zwanzig Minuten treffen wir uns am Hinterausgang, mit gepackten Sachen und kriegsfertig.«
Karris nickte grimmig. Es war schon fast heller Tag, und sie konnten sich nicht erlauben, zu viel Tageslicht zu verschwenden.
Dem Spektrum gegenüberzutreten war fast schon eine Erleichterung. Gavin fand, dass es definitiv besser war, als zwischen zwei eifersüchtigen Frauen festzusitzen, die beide gute Gründe hatten, auf ihn wütend zu sein. Es war natürlich ein Kampf, auf den sich Marissia gar nicht erst einlassen konnte, da sie ihn haushoch verlieren würde. Das bedeutete indes nicht, dass sie nicht litt oder kein Recht dazu hatte. Orholam erbarme dich. Vier Schwarzgardisten begleiteten ihn. Das war angesichts des Attentatsversuchs von gestern Abend verständlich, trotzdem kam sich Gavin wie ein Gefangener vor.
»Ich gebe Euch zehn Minuten, dann verschwinde ich«, begrüßte Gavin die anderen.
»Wie bitte?«, fragte Delara Orange.
»In zwei Tagen beginnt die Schlacht um Ru, und da muss ich vor Ort sein.«
»Und wie wollt Ihr das bewerkstelligen? Wir dachten, Ihr wärt mit der Kriegsflotte unterwegs«, erwiderte der Blaue.
Also erklärte Gavin es, kurz und bündig. Er könne binnen eines Tages übers Meer reisen. Auf dem Tisch lag bereits eine Karte, die die vermuteten Positionen der feindlichen Truppen anzeigte. Gavin bewegte Truppen, fügte welche hinzu und nahm andere weg, bis alles genau stimmte.
»Wie könnt Ihr das alles wissen?«, wunderte sich Delara.
»Ich bin das Prisma«, sagte Gavin. »Noch fünf Minuten.«
»So dürft Ihr nicht mit uns umgehen. Wir sind keine Sklaven, die Eure Befehle entgegennehmen. Was werdet Ihr tun, wenn wir Euch nicht gehen lassen?«, fragte der Blaue.
Gavin schenkte dem kleinen Mann einen kalten Blick und erklärte: »Ich werde Euch töten und auf Euren Leichnam pissen.« Er meinte, was er sagte.
Klytos Blaus Kinnlade klappte herunter. Es war nicht die einzige.
»Ich bin aus Höflichkeit hierhergekommen«, fuhr Gavin fort. »Aber Tausende von Menschen werden sterben, wenn ich jetzt nicht gehe, also sagt mir, ob etwas falsch daran ist, Tausende von Kriegern höher zu schätzen als einen Wurm ohne Rückgrat.«
Klytos war entrüstet. »Nennt … nennt Ihr mich einen Wurm?«, stotterte er.
»Das ist das Freundlichste, was mir im Moment zu Euch einfällt.«
Klytos öffnete den Mund, und Gavin deutete mit der Hand auf
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