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Die Blendende Klinge

Die Blendende Klinge

Titel: Die Blendende Klinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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nur riesig – mindestens fünfzehn Schritt im Durchmesser –, er war auch makellos sauber. Da war kein Staub, kein Kratzer auf seiner Oberfläche. In seine eiserne Umrandung waren uralte Runen eingefügt, die im Laufe der Zeit schwarz geworden waren.
    Von der Spitze der Pyramide aus konnte Liv sehen, wie sich die Schlacht um die Mauer entwickelte. Die fünfhundert des Prinzen hatten es, wenngleich dezimiert, durch die verdammte, verrauchte Hölle jenes Tunnels geschafft und warfen sich nun in jeder Straße jenes Viertels den Soldaten entgegen. Selbst von Livs Position aus konnte sie schwarzen Rauch von den Musketen aufsteigen sehen und das Schreien der Männer hören. Doch die Blutröcke drängten vorwärts und gewannen an Boden. Noch einen halben Häuserblock, und sie würden einen Markt erreichen, wo sie ihre überlegenen Kampfkünste bei ausreichendem Platz frei entfalten konnten. Danach würde es Livs Ansicht nach kaum mehr lange dauern, bis sie das Tor erreichten. Aber noch war der Kampf nicht vorbei, und es schien, als hätten die Atashi oben auf der Stadtmauer einen unbegrenzten Vorrat an geladenen Musketen, die sie hervorholten und abfeuerten, um dann wieder neue ausgehändigt zu bekommen und diese abzufeuern, wodurch sie unaufhörlich Tod und Verderben auf die Angreifer regnen ließen.
    Liv wandte mit Gewalt den Blick ab. Ihr Kampf fand hier statt. Sie kniff die Augen zusammen. Vor ihr schien der Spiegel regelrecht zu summen. Seltsam. Sie blickte auf den Sockel des Spiegels und bemerkte dort eine schwarze Fläche. Sie untersuchte sie mit ein paar Fingervoll Ultraviolett und spürte, wie der Spiegel erzitterte. Es fühlte sich so an, als befänden sich im Innern des schwarzen Kästchens kleine, unsichtbare Hebel.
    Was mache ich hier? Sie sah zu den Soldaten hinunter, die die Pyramide heraufkamen. Dies hier war ihre letzte Prüfung. Das Ziel ihres Lebens. Wenn sie vollbrachte, was von ihr verlangt wurde, würde sie der Farbprinz mit mehr belohnen, als sie je zu träumen gewagt hatte. Sie würde niemals mehr bedeutungslos sein. Sie würde niemals mehr machtlos sein, missachtet und verachtet werden.
    Sie waren dabei, die Schlacht um die Stadt zu gewinnen, aber der Verlauf der Seeschlacht war auf irgendeine Weise von dem abhängig, was sie hier tat. Dies war ihre Chance, es der Chromeria heimzuzahlen: für jedes Hohnlachen; dafür, dass sie sie gegen ihren Vater benutzt hatte; dafür, dass sie sie gezwungen hatte, ihre Schwüre zu brechen und alles zu besudeln.
    Die Ranken ihres ultravioletten Luxins senkten sich in die schwarze Kiste, fanden die Hebel darin, legten einen um – und der Spiegel schwang so rasch herum, dass er ihr beinahe den Kopf abgeschlagen hätte. Sie ließ das Luxin los, und die Bewegung des Spiegels stoppte abrupt. Sie wandelte abermals, betätigte einen weiteren Hebel, und der Spiegel neigte sich. Sie legte einen dritten Hebel um, und der Spiegel erglänzte und wurde blau.
    »Schnell, gute Dame, sie haben uns fast erreicht!«, schrie einer der Männer.
    »Bin schon dabei!«, schrie sie zurück.
    Mit ihrem Ultraviolett zog Liv an einem weiteren Hebel, und ein grüner Filter legte sich wie eine Blase vor die Spiegeloberfläche. Jetzt ging es nur noch darum, die ersten beiden Hebel auf die richtige Weise in Stellung zu bringen. Sie fing das Licht der aufgehenden Sonne in dem riesigen Spiegel und warf es über die Bucht hinaus. Sie drehte den Spiegel nach links und rechts und auf und ab und fragte sich, ob sie es merken würde, wenn sie endlich die richtige Position gefunden hatte, oder ob sie diese vielleicht jetzt schon gefunden hatte. Sie spürte etwas, als sie den Strahl weit aufs Meer hinaus richtete, über den Kopf von Ru hinweg, aber dabei musste sie es wohl übertrieben haben. Das war auch nicht im Entferntesten die richtige Richtung. Sie drehte den Spiegel zur Bucht hinüber, mal hinauf, mal hinunter, suchte weiter.
    Da vibrierte irgendetwas – sie hatte es schon wieder aus den Augen verloren. Sie versuchte es noch einmal und drehte den Strahl zurück, nur ein winziges bisschen. Der Spiegel begann zu summen. Im Bruchteil einer Sekunde hatte er sich in etwas komplett anderes verwandelt.
    Er sammelte alles Sonnenlicht und sandte einen leuchtend smaragdgrünen Lichtstrahl zum Gottesbann hinaus. Der Lichtstrahl war selbst in der Luft sichtbar, brannte in hellem Grün. Das war nicht richtig; ja, es war völlig unmöglich. Spiegel verströmen niemals ein so helles Licht, dass man den

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