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Die Blendende Klinge

Die Blendende Klinge

Titel: Die Blendende Klinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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jedoch nicht. Sie fühlte sich deshalb schwach und hilflos – und ein kleiner Teil von ihr hatte das Gefühl, in der Falle zu hocken, und wollte sich losreißen. Aber sie unterdrückte diesen Drang.
    Sie verlangsamten ihr Tempo, sobald sie sich der Pyramidenspitze näherten. Auf der vorletzten Ebene der Pyramide befand sich eine von unten kaum sichtbare rechteckige Terrasse, wo sich die hohen Herren von Ru versammelten und wo religiöse Rituale zelebriert wurden. Hier oben waren die Männer und Frauen der Königsfamilie von Ru abgeschlachtet worden, bevor man sie die Stufen hinabgeworfen hatte. Fuchsien hingen aus Körben herab, Wasserbecken und Springbrunnen sorgten für angenehme Kühle, und Sklaven brachten aus dem Innern der Pyramide Obst und Wein heraus.
    Die Wandler in Livs Trupp hatten alle ihre Brillen aufgesetzt, und sie tat es ihnen gleich. Sie wandelte eine Schale aus Ultraviolett und befüllte sie mit flüssigem Gelb, wie es ihr Gavin Guile einst persönlich gezeigt hatte. Es schien nun so lange her.
    »Wer seid Ihr?«, fragte eine Stimme von oben. Ein Soldat stellte sich ihnen in den Weg.
    Ein blauer Speer schoss dem Mann durch die Nase in den Schädel, und Blut spritzte ihm aus den Augen. Livs Trupp griff an.
    Es befanden sich mehr Menschen auf der Pyramide, als Liv gedacht hatte, aber keine Wandler. Sie warf ihre Leuchtbombe mitten in die Menge. Durch die Detonation erblindeten alle, die gerade in ihre Richtung blickten. Livs Männer waren wild und unerbittlich – sicherlich einige der besten Wandler und Kämpfer, denen sie je begegnet war. Phyros ließ zwei Äxte wirbeln, die wie Hellebarden mit verkürzten Griffen aussahen, und wohin immer er sich wandte, starben Männer, Sklaven, Frauen. Die Blauwandler schossen rechts und links spitze Nadeln durch Gesichter und Hälse. Phips Navid attackierte Lord Aravind mit einem wilden Racheschrei und wurde von dessen Leibwachen niedergestochen.
    Liv hielt sich im Hintergrund und warf Leuchtbomben. Sie kam sich ein wenig feige vor. Doch sie wusste, dass sie unersetzlich war, und ihre Leuchtbomben leisteten ganze Arbeit. Sie musste ihre Pistole nur ein einziges Mal ziehen, als eine verrückte Sklavin sie mit einem Blumentopf bedrängte. Sie brach getroffen zu Livs Füßen zusammen.
    Dann, ganz plötzlich, war alles vorbei. Es gab noch stöhnende Männer und Frauen, aber keinen Kampf mehr. Livs Trupp war irgendwie auf fünf Mann zusammengeschrumpft, und jeder von ihnen begutachtete liegende Körper oder gab verletzten Feinden den Rest, die sich verzweifelt bemühten, Waffen zu finden oder welche zu verstecken.
    »Zehn Soldaten kommen die Außenstufen herauf«, meldete Phyros. »Ich halte die Innenstufen.«
    Drüben neben dem Thron stöhnte Phips Navid. Liv ging zu ihm hinüber. Sein linkes Auge war zerquetscht, ein Speer hatte seinen Bauch durchbohrt und war am Rücken wieder ausgetreten, und einer seiner Unterschenkel zeigte in die falsche Richtung.
    »Haben wir ihn erledigt?«, fragte Phips. »Aravind, dieses Schwein? Haben wir ihn erledigt?«
    »Ja«, sagte Liv. »Sieht so aus, als hätte ihn eine Luxin-Nadel in der Leistengegend erwischt. Phyros hat ihm gerade den Hals aufgeschlitzt.«
    Phips stieß ein bellendes Lachen aus, das zuletzt jedoch in Gewimmer überging. »Gut, gut. Vierzehn Jahre lang habe ich dieses Dreckschwein gejagt. Ich wünschte, ich hätte es selbst tun können. Ich wünschte, ich … ich wünschte, ich hätte es gar nicht erst nötig gehabt, mich an ihm zu rächen. Glaubst du an einen Himmel?«
    »Ich glaube an die Hölle«, sagte Liv.
    Es schien, als versuche er zu lachen, aber sein Gesicht verzog sich vor Schmerz. »Kannst du mir einen Gefallen tun? Ich habe nämlich vor, es für uns beide schon mal herauszufinden.« Wieder grinste er grimmig und hielt trotz allen Schmerzes und aller Angst hartnäckig an diesem Grinsen fest. Sie sagte sich, dass es ein Akt der Gnade sei, aber sie konnte sich erst rühren, nachdem sie abermals Ultraviolett gewandelt hatte. Es musste getan werden.
    Dann tat sie es. Die Klinge schnitt sauber durch die großen Adern des Halses. Auf wackligen Beinen trat sie zurück. Drehte sich weg, bevor sie sehen konnte, was sie getan hatte.
    »Die Leiter ist an Ort und Stelle«, rief Phyros.
    Liv eilte zu ihm zurück und kletterte die Leiter hinauf. Unter dem großen polierten Spiegel befand sich ein kleiner Sims. Aber als sich Liv dem Spiegel näherte, sah sie sofort, dass es kein normaler Spiegel war. Er war nicht

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