Die Blockadebrecher
das Wort, »ich versichere Ihnen, daß ich Ihre Worte nicht verstehe; ich habe mich gegen Sie benommen, wie sich jeder wohlerzogene Mann gegen eine Dame benehmen würde, aber meine Handlungsweise verdient weder so viel Erkenntlichkeit, noch irgendwelche Danksagungen.«
»Herr Playfair,« sprach Jenny in unerschütterlichem Glauben an ihre Sache, »Sie suchen vergeblich, sich meinem Dank noch länger zu entziehen; Crockston hat mir bereits Alles mitgetheilt.«
»Ah so!« sagte Kapitän Playfair ein wenig gedehnt, »Crockston hat Ihnen Alles mitgetheilt? Aber dann begreife ich, offen gestanden, noch viel weniger, was Sie aus Ihrer Cajüte hervorgelockt hat, um mich Worte hören zu lassen, die …«
Als der junge Mann so sprach, war er in nicht geringer Verlegenheit; er erinnerte sich noch sehr genau an die brutale Art und Weise, mit der er den Amerikaner abgewiesen hatte, aber Jenny ließ ihm zum Glück keine Zeit, sich weiter zu erklären, und unterbrach ihn mit den Worten:
»Herr James, ich hatte von vornherein nur die Absicht, nach Charleston zu reisen, und hoffte, daß die Sklavenhalter dort, so grausam sie auch sein mögen, mir nicht verweigern würden, das Gefängniß mit meinem Vater zu theilen.
Auf eine mögliche Rückkehr nach England hätte ich nie gehofft; da aber Ihr Edelmuth so weit geht, daß Sie meinen armen gefangenen Vater befreien und Alles zu seiner Rettung versuchen wollen, seien Sie meiner aufrichtigsten Dankbarkeit versichert und gestatten sie mir, Ihnen die Hand zu reichen.«
James wußte nicht, was er zu alledem sagen, wie er sich dabei benehmen sollte; er biß sich auf die Lippen und wagte die Hand des jungen Mädchens nicht anzunehmen. Natürlich sah er, daß Crockston ihn »compromittirt« hatte, um ihm den Rückzug abzuschneiden, und doch kam es ihm nicht in den Sinn, sich in eine so böse Geschichte, wie die Befreiung Mr. Halliburtt's füglich werden konnte, zu verwickeln.
Andererseits konnte er sich nicht entschließen, die Hoffnungen, die das arme Mädchen gefaßt hatte, mit grausamem Schlage zu vernichten; wie konnte er diesen Händedruck ablehnen, den sie ihm in so herzlichem Freundschaftsgefühl zugedacht hatte? Er brachte es nicht über das Herz, die Thränen der Dankbarkeit, die jetzt ihren Augen entströmten, in Thränen der Scham und des Schmerzes zu wandeln.
So versuchte denn der junge Mann, ausweichend zu antworten und sich die Freiheit seiner Handlungsweise für die Zukunft vorzubehalten.
»Miß Jenny,« begann er und nahm ihre kleine Hand in die seine, »glauben Sie mir, daß ich thun werde, was in meinen Kräften steht, um …«
Aber bei dem sanften Druck ihres Händchens fühlte er, wie sein Herz weich wurde und seine Gedanken sich verwirrten; die Worte, um auszudrücken, was er sagen wollte, fehlten ihm in diesem Augenblick, und er stammelte nur unbestimmte Ausdrücke, wie:
»Miß … Miß Jenny … für Sie …«
Der Amerikaner hatte unterdessen von ferne gestanden und die Beiden beobachtet; jetzt rieb er sich die Hände und brummte vor sich hin:
»Es wird etwas! wahrhaftig, es wird etwas! Ich glaube beinahe, es ist schon was geworden!«
Wie sich James Playfair aus dieser verlegenen Situation ohne jeden Zwischenfall herausgeholfen haben würde, ist wohl eine schwer zu entscheidende Frage; aber zum Glück für ihn, wenn auch nicht für sein Schiff, ließ sich in diesem Augenblick die Stimme des Matrosen vom Mastkorbe vernehmen:
»He! Officier von der Wache!«
»Was giebt's?« fragte Mr. Mathew.
»Ein Segel vor dem Winde!«
James Playfair verabschiedete sich eilig von dem jungen Mädchen und stürzte in die Wantung des Besanmastes.
Fünftes Capitel.
Die Kugeln des Irokesen und Miß Jenny's Beweisgründe.
Die Reise der
Delphin
war bis jetzt sehr glücklich und mit staunenswerther Schnelligkeit von Statten gegangen, es war dies das erste Schiff, das sich in Sicht zeigte und von der Wache signalisirt wurde.
Die
Delphin
befand sich gerade unter 32° 15' Breite und 57° 43' Länge westl. von dem Meridian von Greenwich, sie hatte also bereits drei Fünftel ihrer Fahrt zurückgelegt. Seit achtundvierzig Stunden bedeckte ein Nebel, der jetzt zu steigen begann, die Wasser des Oceans; wenn die
Delphin
auch ihrerseits von diesem Nebel begünstigt, das heißt verborgen wurde, so hinderte derselbe sie andererseits, das Meer auf eine weite Fläche hin zu beobachten, und sie konnte, um sich so auszudrücken, Bord an Bord mit Schiffen fahren, die sie allen Grund hatte
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