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Die Blockadebrecher

Die Blockadebrecher

Titel: Die Blockadebrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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also die besondere Theilnahme, die diesem Schiff gezollt wurde?
    Lediglich von dem Geheimniß, das seine Bestimmung umhüllte. Niemand hatte eine Ahnung, welcher Art von Handelsverbindungen es dienen sollte, und wenn man die Gruppen von Neugierigen befragt hätte, wären die verschiedenartigsten Vermuthungen hierüber an den Tag gekommen.
    Die Bestunterrichteten, oder die es doch zu sein glaubten, kamen überein daß dies Dampfboot in dem schrecklichen Kriege, der zu jener Zeit die Vereinigten Staaten Nordamerikas decimirte, eine Rolle spielen solle. Zu weiteren Schlüssen aber verstiegen auch sie sich nicht, und ob die
Delphin
ein Kaperschiff oder zum Transport bestimmt, ob sie ein Schiff für die Südstaaten oder die nordstaatliche Marine war, blieb unerforschlich.
    Die Einen riefen »Hurrah« und versicherten Jeden, der es hören wollte, daß die
Delphin
auf Rechnung der Südstaaten gebaut sei.
    »Hip! Hip! Hip!« schrieen wieder Andere und schwuren Stein und Bein darauf, daß nie bis jetzt ein so schnelles Schiff an den amerikanischen Küsten gekreuzt hätte.
    Was hier die Menge anzog, war also das Geheimnißvolle, Unbekannte; denn um genau zu wissen, was man von der Bestimmung der
Delphin
zu halten habe, hätte man eben Associé oder doch zum mindesten der intime Freund des Hauses Vincent Playfair u. Co. in Glasgow sein müssen.
    Letzteres galt als ein reiches, bedeutendes und intelligentes Handelshaus, dessen Inhaber von den sogenannten Tobacco Lords abstammten, die einst den schönsten Viertel der Stadt erbaut hatten und ihren angesehensten, ältesten Familien angehörten. Diese ingeniösen Kaufleute hatten in Folge der Unionsacte die ersten Comptoirs in Glasgow begründet, indem sie einen Handel mit Virginia- und Maryland-Tabak begannen; sie sammelten unermeßliches Vermögen und schufen einen neuen Mittelpunkt für den Handelsverkehr. Bald erhoben sich auch Spinnereien und Schmelzhütten auf allen Seiten der Stadt, und in wenigen Jahren stieg der Wohlstand auf den höchsten Punkt; Glasgow war eine Industrie und Manufacturstadt geworden.
    Das Haus Playfair hatte von dem unternehmenden Geiste seiner Vorfahren nichts verloren; noch immer stürzte es sich in die kühnsten Operationen und hielt die Ehre des englischen Hauses hoch. Sein jetziges Oberhaupt war Vincent Playfair, ein Mann in den fünfziger Jahren, der bei allen Dingen wesentlich den praktischen und positiven Gesichtspunkt in's Auge faßte, aber trotzdem von kühnem Temperament – kurz, ein echter Vollblutrheder. Nichts, was außerhalb der commerciellen Fragen lag, ja nicht einmal die politische Seite der Geschäfte, machte Eindruck auf ihn, nichtsdestoweniger aber bildeten Loyalität und strenge Rechtlichkeit einen Hauptzug seines Charakters.
    Der Gedanke an den Bau und die Ausrüstung der
Delphin
war jedoch nicht seinem Hirn entsprungen, sondern dankte seine Entstehung Herrn James Playfair, den wir hiermit die Ehre haben, als den etwa 30-jährigen Neffen des alten Herrn und einen der tüchtigsten Skipper der Handelsmarine vorzustellen.
    Als James Playfair sich eines Tages mit seinem Onkel in dem Tontine-Coffee-Room unter den Arcaden des Stadtsaales befand und dort mit großem Eifer die amerikanischen Zeitungen studirt hatte, legte er Herrn Vincent folgenden, sehr abenteuerlichen Plan vor:
    »Onkel, wir könnten in einem Zeitraum von höchstens zwei Monaten zwei Millionen gewinnen.«
    »Und was würde der Einsatz sein?« fragte Onkel Vincent.
    »Ein Schiff mit Ladung.«
    »Weiter nichts?«
    »Nun, etwa noch die Haut des Kapitäns und der Mannschaft, aber das wird nicht mit in Rechnung gebracht.«
    »Diese Erörterung wäre näher zu erörtern,« bemerkte Onkel Vincent, der diesen Pleonasmus liebte.
    »Alles bereits erörtert!« rief James Playfair. »Hast Du die
Tribune
, den
New-York Herald
, die
Times
, den
Enquirer of Richmond
und die
American Review
gelesen?«
    »Zwanzig Mal zum Mindesten, lieber Neffe.«
    »Und bist Du auch der Ansicht, daß der Krieg unter den Vereinigten Staaten noch lange währen wird?«
    »Noch sehr lange sogar.«
    »Du weißt, Onkel, wie sehr diese Kämpfe ganz Großbritannien, besonders den Handel von Glasgow schädigten?«
    »Und des Specielleren noch die Interessen des Hauses Playfair u. Co.,« fügte Onkel Vincent seufzend hinzu.
    »Das ist Thatsache,« bestätigte der junge Kapitän.
    »Es ist das mein täglicher Ärger, James, und ich denke mit Schrecken der commerciellen Unglücksschläge, die dieser Krieg nach

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