Die blonde Geisha
Geist öffnen. Und dein Herz.”
Ich kniete mich auf den Boden und dachte darüber nach, dass außer diesem Mädchen niemand hier im Teehaus wollte, dass ich blieb. Zwar war man höflich zu mir, ganz nach japanischer Art, aber ich hätte mich nicht gewundert, wenn ich später Knoten in meinen Kleidern und lauwarme Asche unter meinem Bett gefunden hätte, altbekannte Hinweise darauf, dass ein Gast verschwinden sollte. Doch wenn ich schon von meinem Vater getrennt sein musste, bis er zurückkam, dann wollte ich zumindest hierbleiben und eine Geisha werden.
“Okâsan sagt, Mallory-san wird lange Zeit nicht zurückkehren.”
“Das ist nicht wahr, Mariko-san”, protestierte ich. “Mein Vater wird bald zurückkommen, um mich zu holen. Das weiß ich einfach.” Verzweifelt drückte ich den Haarbüschel an meine Brust, meine Augen füllten sich mit Tränen. Sollten die Mädchen doch glauben, was sie wollten. Ich weinte nicht wegen der abgeschnittenen Haare, die würden nachwachsen, sondern um den Verlust meines Vaters.
“Okâsan sagt, Mallory-san hätte dich niemals in der schwebenden Welt gelassen, wenn er nicht in größter Gefahr wäre.”
Ich zuckte zusammen. Schon wieder dieses Wort “Gefahr”. Mariko saß ganz still, was mich noch mehr aus der Fassung brachte. Es war nicht länger zu ertragen.
“Warum nennst du das hier die ‘schwebende Welt’?” Würde ich jemals lernen, so ruhig zu sitzen wie sie?
“Ganz einfach, Kathlene-san. Unsere Geisha-Welt gleicht den Wolken in der Dämmerung, schwebend zwischen dem Nichts, aus dem sie entstehen, und der Wärme des bevorstehenden Tages.”
Was wollte sie mir damit sagen, ich verstand sie nicht.
“Okâsan sagt, von heute Abend an dürfen wir nicht mehr über Mallory-san sprechen.”
Nie mehr über ihn sprechen? Ich konnte doch nicht so tun, als ob mein Vater nicht existierte. Ich konnte die Gefühle, die mein Innerstes aufwühlten, nicht ignorieren, deswegen fragte ich stattdessen: “Wie lange bist du schon im Teehaus des Sehnsuchtsbaumes?”
“Seit ich fünf bin.”
“Und wie alt bist du jetzt?”
“Vierzehn.”
“Vierzehn?” fragte ich überrascht. “Du siehst viel jünger aus.”
“Okâsan sagt, ich bin wie eine Wildblume, die aus einem Dunghaufen hervorsprießt.”
Ich schüttelte den Kopf. Diese seltsame Art, zu sprechen, verwirrte mich. “Was bedeutet das?”
“Dass ich weder das Gesicht noch die Figur habe, um in die Welt der Blumen und Weidenbäume zu gehören, aber es mir mit Geduld doch gelingen kann, Geisha zu werden.
Ungläubig musterte ich ihr zartes Gesicht, die runden Wangen, den winzigen rosafarbenen Mund. Dieses Mädchen würde einmal eine Geisha werden? Sie war so jung und schlicht. Ich dachte immer, Geishas wären geheimnisvolle, wunderschöne Kreaturen, die in Liedern besungen und Gedichten unsterblich gemacht wurden.
Schockiert über ihre Offenheit, starrte ich sie weiter an. Mariko zog den Kimono fester um ihren blanken Oberkörper. Ich empfand Respekt gegenüber diesem jungen Mädchen, es erinnerte mich an Bambusrohre, die sich im Wind bogen. Stark aber elastisch.
“Ich bin neugierig, Mariko-san. Warum nennst du die Frau namens Simouyé-san Okâsan?”
“Viele Mädchen, die hierher gekommen sind, um Geisha zu werden, haben ihre Familien verloren, als sie sehr jung waren. Oft haben sie ihre Mütter nie kennen gelernt. Simouyé-san kümmert sich um uns wie eine Mutter.” Ich konnte an ihren wehmütigen Augen ablesen, dass sie zu diesen Mädchen gehörte.
“Simouyé-san ist nicht leicht zu verstehen”, sagte ich. “Und sie ist
sehr
schön.” Wieso glaubte ich, das hinzufügen zu müssen? Weil mein Vater ihre Brüste berührt und sie so innig umarmt hatte? Als ob das sein Handeln rechtfertigen würde?
“Ja, sie ist streng mit uns, Kathlene-san, aber alle Geishas im Teehaus zollen Simouyé-san viel Respekt und erkennen ihre Autorität an, so wie man es bei seiner eigenen Mutter tun würde.” Ihre Lippen bebten, als sie versuchte, ihre Gefühle zu unterdrücken. “Ich freue mich, dass Okâsan sagt, ich würde bald Maiko werden, und in drei Jahren Geisha.”
“Du wirst in drei Jahren Geisha sein?”
Mariko schien meine Verblüffung zu spüren. “Ich muss zuvor noch viel lernen.”
Ich beugte mich näher zu ihr. “Erzähl mir davon, Mariko-san, ich will alles darüber wissen, wie man Geisha wird.”
Sie erklärte, dass eine Geisha in ihrer Ausbildung beobachten und lernen müsse, dass Worte nicht
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