Die blonde Geisha
höchster Verwirrung.
Ich liebe Reed-san, aber genauso sehr will ich Mariko-sans Geisha-Schwester sein.
Traurig drückte ich die Hände auf meine Brust, als könnte ich so den Schmerz lindern. Ich betete zu den Göttern, dass ich nicht zwischen einem Leben als Geisha und meiner Liebe zu Reed-san wählen müsste, ich flehte aus tiefstem Herzen darum, beides behalten zu dürfen und hob das Kinn.
Mariko strahlte vor Glück. Der Initiationsritus war vollendet, von diesem Moment an würde ich auf meinen Geisha-Namen hören: Kimiko.
“Es wird Zeit”, sagte Simouyé, und fügte dann mit einer Verneigung hinzu: “Kimiko-san.”
Ich nickte. Der Plan war, dass ich den Baron treffen, mich an in schmiegen, Sake einschenken und für ihn singen würde. Dann sollte Mariko meinen Platz auf dem Futon einnehmen. Mit bedecktem Gesicht und von der Hüfte an nackt würde sie sich seinen forschenden Fingern öffnen. Es war eine wahnsinnige Idee, aber die einzige Möglichkeit, unser aller Leben zu retten.
Ungläubig blickte ich in den großen Spiegel. Ich war kein Kind mehr, kein ängstliches blondes Mädchen. Der Spiegel zeigte das Gesicht einer Geisha, maskenhaft weiß, die Brauen hochmütig geschwungen, die zinnoberrot geschminkte Unterlippe trat deutlich hervor. Meine Augen waren schwarz und rot umrandet. Kleine Glöckchen waren an meiner Perücke befestigt, die leise klingelten, wenn ich den Kopf neigte.
Mein Herz pochte. Ich war mir selbst fremd. Diese raffinierte, schöne Frau war eine sinnliche, rätselhafte Kreatur, eine Verführerin, die alle Tricks kannte. Das war nicht Kathlene Mallory, die Tochter von Mallory-san, die ihren Vater so sehr vermisste und sich in den Mann verliebt hatte, der sie nach Hause bringen sollte.
Wer von beiden wollte ich sein?
Wer?
Meinem Schicksal konnte ich nicht entgehen. Heute Nacht musste ich eine Geisha sein. Diesmal reichte es nicht nur, davon zu träumen und in Fantasien zu schwelgen. Diesmal musste ich tatsächlich zu der Verführerin werden, die mit jedem einzelnen Atemzug und jeder Bewegung Lust erzeugte. Begleitet vom Knistern der Seide, machte ich einen Schritt nach vorn.
Der Gong an der Eingangstür erklang. Mir war klar, was das bedeutete. Baron Tonda-sama hatte das Teehaus des Sehnsuchtsbaumes betreten.
Ich lächelte und war zuversichtlich, dass ich mit dem Baron umgehen konnte, ich wollte ihn verführen und dann dazu bringen, dass er mich anflehte, mit ihm zu schlafen.
Schließlich war ich eine Geisha namens Kimiko, nicht wahr?
Das Telegrafenamt hatte geschlossen. Reed war wütend. Man hatte ihm gesagt, dass er am nächsten Morgen wiederkommen solle. Verärgert fuhr er sich mit den Händen durch sein dichtes, braunes Haar. Es musste einen anderen Weg geben. Seine Nachricht musste einfach nach Osaka gelangen!
Reed drückte sich in der Bahnstation herum, bis sich ein Japaner seiner erbarmte, Geld und Nachricht entgegennahm und versprach, einen Kurier zu Pferde nach Osaka zu schicken. Hoffentlich würde er die Nachricht nicht einfach in den nächsten Straßengraben werfen.
Er musste so schnell wie möglich zurück ins Geisha-Viertel, zurück in die engen, in rotes Laternenlicht getauchten Gassen, wo die Mauern so dick und abweisend waren wie Festungswälle. Niemand konnte ihn von Kathlene fernhalten und musste lächeln, als er daran dachte, wie sie sich unter dem Weidenbaum umgedreht und zurückgeschaut hatte.
Gott, wie sehr er sie begehrte, wie er sich danach verzehrte, ihre Brüste zu küssen, die Hände unter ihren Hintern zu schieben und vorsichtig mit dem Finger zwischen ihre Hügel zu gleiten. Er wollte ihre Nässe und ihre Leidenschaft spüren, ihre fest um seine Hüften geschlungenen Beine und wenn er sich in ihr verströmte, wollte er ihren Aufschrei hören.
Reed sah ihren nackten Körper auf den kalten Fliesen im Badehaus vor sich, ihre glitzernden, grünen, sehnsüchtigen Augen, und das Verlangen, das in ihnen aufleuchtete, als er in sie drang. Hörte, wie sie ihn um mehr bat. Und ihm mit sanfter Stimme sagte, dass sie ihn liebte. Schmerzhafte Zärtlichkeit durchfuhr ihn im selben Moment, ein Gefühl, das er nicht länger unterdrücken konnte.
Er liebte sie.
Reed hatte sie gebeten, mit ihm nach San Francisco zu kommen, aber sie hatte ihm keine Antwort gegeben. Er konnte das verstehen. Sie wusste nicht, ob ihr Vater tot war, und sie hatte ein Leben hier, wenn auch keines, das irgendein Vater sich für seine Tochter wünschte.
Nun war er am selben Punkt
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