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Die blonde Witwe

Die blonde Witwe

Titel: Die blonde Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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insgesamt etwas über neunzig Mark. Der Rest von den drei geklebten Hundertern. Das Geld freute mich nicht mehr. Es brannte mir in der Brieftasche; es wollte weg, wollte ausgegeben werden.
    Es gehört zu meinen Eigenheiten, in schwierigen Lebenslagen immer etwas zu tun, was mein Dasein noch schwieriger macht. Deshalb beschloß ich, mir einen Hund aus dem Tierasyl zu holen. Meine Einsamkeit kam mir plötzlich unerträglich vor. Ein kleiner Hund ist ein Wesen, mit dem man reden kann, ohne dumme oder allzu kluge Antworten zu bekommen.
    Zunächst aber kam, wie immer dürr und säuerlich, Frau Wagner herein.
    »Donnerstag«, sagte sie.
    Ich warf einen kurzen Blick auf den Wandkalender, der verkündete, daß man nur mit einer ganz bestimmten Benzinmarke wirklich genußvoll autofahren kann.
    »Stimmt«, sagte ich. »Donnerstag.«
    »Sie wollten den Rest Miete heute bezahlen.«
    »Richtig, das wollte ich. Dazu muß ich aber zum Verlag. Stören Sie mich also nicht beim Anziehen.«
    Sie wandte sich wortlos zur Tür, drehte sich aber noch einmal um.
    »Lassen Sie bitte nicht immer Ihre Zahnbürste herumliegen.«
    Siebenundzwanzig halbierte Hunderter hatte ich in meiner Sparkasse: Brehms Tierleben, Band II, Seite 29, Geburtshelferkröten. Was nützten sie mir jetzt? Genausowenig wie Mister Imbiß die seinen. Das mochte begreifen, wer wollte. Aber ein Hund mußte her, so bald wie möglich. Irgendein kleiner, herrenloser Hund, der sich im Tierasyl genauso wohl fühlte, wie ich mich bei Frau Wagner.
    Es war Mittag, da hatten sie wohl geschlossen. Ich wollte nachmittags hinfahren und fing an, in der Zeitung zu blättern.
    Natürlich stand noch nichts von einem toten Hotelier drin. Es konnte auch noch gar nichts drinstehen. Frühestens würden sie es in der Nachtausgabe bringen, wenn überhaupt.
    Als ich am frühen Nachmittag endlich zum Tierasyl fahren wollte, prallte ich in der Tür beinahe mit Carl Offermann zusammen. Er ist fein heraus. Er schreibt nämlich für meine Zeitung regelmäßig die Spalte über Wirtschaft, billiges Gemüse und Neuheiten für den Kraftfahrer. Im Gegensatz zu mir ist er Mitglied der Redaktion.
    »Gut, daß ich dich noch treffe«, sagte er mit einem Seitenblick auf den Hut in meiner Hand.
    Ich bat ihn herein und wußte, was mir nun bevorstand. Da war es schon. Er sagte ohne Umschweife: »Wir haben heute Donnerstag, den 2. Mai, und du hast mir versprochen, die hundert Mark am Ultimo zurückzuzahlen. Wie steht’s damit?«
    Sein Gesicht verriet immer Überraschung, auch dann, wenn kein Grund dafür vorhanden war. So sah er auch jetzt überrascht aus, als ich ihm erklärte, daß er noch ein wenig warten müsse. »Ich habe eine große Sache vor«, schloß ich und sah, daß er immer noch überrascht war. »Und jetzt halte mich bitte nicht auf. Ich muß rasch einen Hund kaufen.«
    Er sah nicht überraschter aus als vorher.
    »Was? Einen Hund? Kaufen?« Er ließ sich in meinen einzigen Sessel fallen. »Du bist doch ein verrücktes Stück! Gehört das zu der tollen Story, die du schreiben willst?«
    »Ja. Ich hole ihn aus dem Tierasyl.«
    Carl Offermann war erst sechsunddreißig, aber der Mangel an eigenen Gedanken hatte bei ihm merkwürdigerweise auch einen Mangel an eigenen Haaren bewirkt. Er wirkte, glatzköpfig und aufgeschwemmt, wie fünfzig. Wir konnten uns beide nicht riechen, und daß er mir vor vier Wochen den Hunderter gepumpt hatte, war nur deshalb gewesen, damit er ihn dann von mir zurückfordern konnte, wenn er genau wußte, daß ich völlig blank war.
    »Tierasyl!« rief er überrascht. »Dafür kriegst du keine Zeile. Das bringen wir jedes Jahr achtmal. Altes Mütterchen und Tierasyl, das zieht nicht mehr. Da habe ich schon was Besseres, mein Lieber.«
    »Billige Gurken, was?«
    »Quatsch.« Er nippte an dem Fusel, den ich für Besucher wie Offermann stets bereithalte, machte ein überraschtes Gesicht und sagte: »Gurken? Nein, mein Lieber, einen hochinteressanten Mord!«
    Mir war, als sei eine hochbrisante Granate unter mir losgegangen. Ich mußte mich am Tisch festhalten.
    »Was?« sagte ich stockend. »Einen Mord?«
    Zum erstenmal, seit ich ihn kannte, wich die Überraschung aus seinem Gesicht und machte höhnischer Freude Platz.
    »Unser Alter hat sich heute morgen die Finger wund telefoniert. Nach einem Herrn Jerry Petersdorff, dem zuständigen Reporter. Aber der glänzte wieder einmal durch Abwesenheit. Wo hast du eigentlich gesteckt?«
    »Ich? Nun, wo steckt man schon in meinem Alter, wenn

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