Die blonde Witwe
man sonst soweit gesund ist?«
Er grinste, während meine Nerven sich immer mehr anspannten. Ich mußte vorsichtig sein, jedes Wort genau überlegen. Er fuhr fort: »Sie haben mich heute morgen mit dem Wagen abgeholt, weil sie dich nicht finden konnten. Mensch, das wäre ein Knüller für dich geworden. Statt dessen mußt du einen Hund kaufen. Typisch für dich. Aber dann nie Geld in der Tasche haben, was?«
Ich wurde ungeduldig.
»Schwafle nicht soviel herum. Du hast also heute in Mord gemacht?«
Er nickte voll Stolz. Für einen Wirtschafts- und Gemüseredakteur ist Mord natürlich eine tolle Sache.
»Ja«, sagte er. »Ein Hotelier ist im Frühzug München-Gauting erschossen worden. Kommt ganz groß in der Nachtausgabe. Mein Artikel, mein Lieber.«
Ich spürte, wie mir die Kälte die Beine heraufkroch.
»Ein — Hotelier? Aus Starnberg?«
»Ja. Aber gib dir keine Mühe mehr, die Sache bleibt jetzt bei mir. Der Alte hat es mir versprochen. Weil du nicht da warst.«
Kunststück, ich war ja damit beschäftigt gewesen, ihn zu »ermorden«.
»Hm«, machte ich zerknirscht, weil mir im Augenblick absolut nichts anderes einfiel. Dann fiel mir aber doch etwas ein. »Hast du etwa den Toten selber gesehen?«
Er goß sich das Glas noch einmal voll. Ich hatte ihn im Verdacht, daß er auch Petroleum soff, wenn es ihn nichts kostete.
»Klar«, grunzte er und schüttelte sich. »Sie hatten ihn, als ich in Gauting ankam, schon auf einer Bahre liegen. Sie zogen das Tuch noch einmal für mich weg.«
Ich konnte meine Neugier kaum noch zügeln.
»Und er war wirklich ein — Hotelbesitzer?«
»Ja. Die Polizei gab mir die Personalien. Er heißt Paul Duklas, einundsechzig. Besitzer vom >Seeadler< in Pöcking, gleich hinter Starnberg. Er hinterläßt eine todunglückliche Witwe. Übrigens eine tolle Frau — attraktiv, weißt du, bildschön und noch recht jung. Sie hatte einen Nervenzusammenbruch.«
Ich schnappte nach Luft. Endlich fragte ich: »Hast du sie — hast du ein Interview von ihr?«
Seine kleinen Augen glänzten.
»Natürlich. Wofür hältst du mich denn? Nicht viel natürlich, nur ein paar Worte, aber immerhin.«
Mein Hirn arbeitete fieberhaft.
»Ist sie — schwarzhaarig? So ein südländischer Typ?«
Wieder zeigte sich Überraschung auf seinem Gesicht, diesmal etwas mehr als sonst.
»Nein«, sagte er kopfschüttelnd. »Blond ist sie.«
Lauernd fragte ich weiter: »Und sonst keine Familie? Etwa eine Tochter?«
Er stutzte kurz, dann lachte er.
»Ah, ich verstehe. Mit der Tochter anbändeln, um noch mehr Details herauszufinden. Nein, mein Lieber, ist nicht drin. Von einer Tochter war keine Rede. Übrigens handelt es sich wahrscheinlich um Raubmord. Er soll einen großen Barbetrag bei sich gehabt haben.«
»Aha«, sagte ich möglichst ruhig. »Raubmord also. Soll vorkommen. Wieso fährt ein Hotelier mit einem Haufen Bargeld in der Tasche eigentlich im Frühzug nach Gauting und nicht mit seinem Wagen nach Starnberg?«
Überraschung.
Dann: »Das — da muß ich mal die Polizei fragen. Interessanter Gedanke. Diese Frage hätte ich eigentlich gleich in meinem Artikel bringen sollen.«
»Ja«, sagte ich. »An deiner Stelle hätte ich das gefragt.«
Sein Gesicht hellte sich auf, als er sagte: »Aber die Polizei sagt, daß sie schon eine ganz bestimmte Spur verfolgt.«
Das beruhigte mich ungemein. Wenn unsere Polizei eine ganz bestimmte Spur verfolgt, dann bedeutet das, daß sie gar nichts weiß. Diesmal, das wußte ich, würden sie eines Tages den Mord zu den nicht aufklärbaren Fällen legen müssen.
»So«, sagte ich. »Eine ganz bestimmte Spur. Tüchtige Polizei. Hast du übrigens ein Foto von ihm?«
»Nein, noch nicht. Die Witwe war zu aufgeregt, aber wir bekommen eins.«
Er trank den vierten Schnaps aus, erhob sich und ging zur Tür.
»Verstanden?« sagte er. »Dieser Fall bleibt bei mir. Am besten kommst du erst gar nicht in die Redaktion.«
»Tu ich auch nicht«, sagte ich. »Ich muß doch jetzt einen Hund kaufen.«
Er blickte mich so überrascht an, als entdecke er plötzlich ausbrechenden Wahnsinn. Dann verschwand er wortlos, und mir war, als schwanke das Haus unter seinen Tritten auf der Treppe.
Ich fuhr zum Tierasyl und träumte den ganzen Weg von einem blonden Mädchen, das ich im Bahnhofsrestaurant kennengelernt hatte, und nebenbei träumte ich von einem mittelgroßen Salz- und Pfefferschnauzer.
Etwa gegen sechzehn Uhr hatte ich ihn. Es war kein mittelgroßer Salz- und
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