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Die blonde Witwe

Die blonde Witwe

Titel: Die blonde Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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unternehmungslustig, und es fing bei mir leise an zu knistern.
    Wenn es bei mir leise zu knistern anfängt, muß ich schleunigst etwas unternehmen. Also stand ich auf.
    »Gut, Kindchen, fahren wir.«
    Auch Doris stand auf.
    »Schon? Ist es denn wirklich so eilig? Ich habe mir überlegt, vielleicht sollten wir hier ein paar Tage abwarten, was weiter passiert. Vielleicht finden sie den Mörder auch ohne dich, und wir könnten...«
    »Bitte, fahren wir gleich.«
    Sie trug hautenge, hellblaue Jeans und ein tiefausgeschnittenes Blüschen mit einem Matrosenkragen. Sie sah aus wie neunzehn. Fast so jung wie Andrea.
    Er knisterte lauter.
    Und da war das Malheur passiert: Hesekiel und Leila, die kleine, unschuldige Chinesendame, feierten Hochzeit. Sie hatten sich dazu den Platz zwischen den Fliederbüschen ausgesucht, und Doris und ich konnten nichts anderes mehr tun, als der Natur ihren Lauf lassen.
    Doris schaute mich genauso ratlos an, wie ich sie. Endlich sagte sie: »Das wird dich Alimente kosten.« Ganz gerührt fuhr sie fort: »Meine arme, kleine Leila.« Dann aber kam das praktische Eichhörnchen wieder zum Vorschein. »Überhaupt ist dieser Kerl viel zu groß für sie. Wir müssen zuerst zu einem Tierarzt fahren.«
    Wir beschleunigten unseren Aufbruch, verstauten in dem resedagrünen Ghia, was wir zu verstauen hatten, betteten das erschöpfte Hochzeitspaar auf den spärlichen Rücksitz, und verloren bei der Tierärztin viel Zeit.
    Es war kurz vor elf Uhr, als wir die Olympiastraße zum Starnberger See erreichten. Sie hat ihren Namen von den olympischen Rekordschlangen von Autos, die sich an Wochenenden auf ihr bilden, und so kamen wir erst um dreiviertel zwölf Uhr nach Starnberg, gerade noch rechtzeitig genug, um den langen Trauerzug zu sehen, der sich feierlich zum Friedhof hin bewegte. Die sterblichen Überreste des Hoteliers Paul Duklas wurden beigesetzt.
    Ich rutschte neben Doris so tief wie möglich in den Wagen hinunter. So tief, daß ich gerade noch etwas sehen konnte.
    Ich sah eine Frau in Schwarz, mit dichtem schwarzem Schleier. Neben ihr ging ein Mann in Schwarz, der sie stützte. Hinter diesen beiden noch eine Menge Leute in Schwarz, Dunkelbraun oder Dunkelblau.
    Ich sah, etwa in der dritten oder vierten Reihe einen Mann in Schwarz, der aussah wie ein riesengroßer Firmling, dem der schwarze Anzug zu eng war. Ich kannte diesen Mann, und ich kannte seinen bärenstarken Unterarm mit dem Herzen und dem Pfeil und dem Namen Erna.
    Was ich nicht sah, war ein Mädchen namens Andrea.
    Als der Trauerzug vorbei war, fuhren wir durch Starnberg weiter nach Niederpöcking, zum Hotel.
    Kurz davor, im Wald, ließ ich Doris halten und stieg aus.
    »Fahr allein vor«, sagte ich. »Sie werden fast alle auf der Beerdigung sein. Der Augenblick ist günstig. Laß dir das Zimmer geben. Wenn möglich, füllst du gleich die Anmeldung aus, selbstverständlich unter deinem richtigen Namen und verheiratet, und dann erklärst du, dein Mann würde bald nachkommen. Wenn wir Glück haben, klappt das.«
    Doris und Leila fuhren weiter. Ich hockte mich mit Hesekiel in den Wald und dachte eine Viertelstunde nach. Wo mochte Andrea sein?
    Schließlich ging ich quer durch den Wald zum See hinunter, bis ich das Hotel liegen sah.
    Der Architekt dieses Monstrums, ein Zeitgenosse des unglücklichen Königs Ludwig II., hatte mit Türmen und Türmchen nicht gespart, und die Dachreparaturen mochten wohl mehr Geld verschlingen, als die Betten einbrachten.
    Ich betrat die altdeutsche Halle mit den alten Teppichen, den alten Bildern, den alten Kristall-Lüstern, den alten Möbeln, und trat an die alte Rezeption.
    »Dar Härr winschen?« fragte der Portier. Ein alter Bekannter also, wenn ich bisher das Vergnügen auch nur durchs Telefon gehabt hatte.
    »Moine Frau üst schun hür«, sagte ich.
    Sein altes, runzeliges Lakaiengesicht strahlte. Doris hatte demnach mit Trinkgeld nicht gespart.
    »Bütteschän«, sagte er. »Dü Hörrschaften hoben das Zimmer dreiundzwanzig, das scheenste Zümmer im Haus. Zum Sää hinaus, mit Bälkon. Hoben der Härr noch Gepäck?«
    »Noin, das hat moine Frau.«
    Ich ging zur alten Treppe mit dem alten, roten Läufer, kehrte noch einmal zurück. Sein Idiom war mir zu anstrengend, weshalb ich normal sprach.
    »Sagen Sie, Herr Portier, man hat mir gesagt, es sei ein Unglücksfall hier im Haus gewesen?«
    »Stümmt«, sagte er bekümmert. »Der gnödige Härr — hoite üst dü Böärdigung. In Starnberg.«
    »Schrecklich«,

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