Die blonde Witwe
sagte ich. »War er Junggeselle?«
»Noin, Härr, loider nücht. Dü gnödige Frau Witwe üst sozusagen hünterblieben, und das Froilein Tochter.«
»Ah, wie traurig. Sie sind wohl alle auf der Beerdigung.«
»Jäwui«, sagte er. »Alle.«
Nichts von Andrea. Ich bohrte weiter, ohne jede Vorsicht.
»Das Fräulein Andrea auch? Ich dachte, sie sei verreist, wie man mir im Ort erzählt hat.«
»Jäwui«, sagte der alte Mann. »Sü war verroist. Aber sü üst hoite frieh zurickgekommen. Aus dem Ünternat, aber sü fährt dann wieder hün.«
»Ach so. Na, dann vielen Dank.«
»Bittä, der Härr. Und wenn ich mür erlauben därf: ich winsche gute Erholung müt der Frau Gämohlin, bittä.«
»Vülen Dänk«, sagte ich und wandte mich wieder zur Treppe. Ein junger Mann, breit wie ein Preisboxer, kam mir entgegen, musterte mich scharf und aufdringlich, ging an mir vorbei und pfiff: »Die Vöglein im Walde...«
Ich fand Doris in unserem Zimmer, dreiundzwanzig, einem alten Zimmer mit alten Betten, einem alten Waschbecken auf weißen, gedrechselten Füßen, mit zwei alten Nachtschränkchen, zwei alten Lampen darauf mit alten Seidenschirmchen.
Nur die Preise auf einer Tafel neben der Tür waren neu.
Doris hatte rote Bäckchen.
»Stell dir vor«, rief sie mir strahlend entgegen, »ich habe gerade Rolf getroffen.«
»Wer, zum Teufel, ist Rolf? Wir können doch keine Bekannten hier brauchen.«
»Ein toller Junge«, sagte sie, und mir dämmerte, wie er aussah. »Der Vater macht in Öl, Motorenöl. Er hat ein Segelboot hier liegen, läßt sich gerade in Possenhofen ein neues bauen, und er hat gesagt, daß er mir eins vielleicht schenken wird. Ich bin nämlich heute abend mit ihm verabredet. Du willst doch nachforschen und hast doch sicherlich keine Zeit für mich.«
Hatte ich Andrea nur übersehen, oder war sie nicht unter den Trauernden gewesen?
»Wie? Nein, ich werde keine Zeit für dich haben. Aber daß du diesem Kerl kein Wort verrätst, sonst müßte ich dich nämlich versohlen.«
»Ich werde mich hüten. Schau doch mal auf den Balkon. Es ist herrlich hier.«
»Jäwui«, sagte ich, und trat auf den alten Balkon.
»Wie bitte?« fragte Doris.
»Nichts, ich habe nur laut gedacht.«
Das Zimmer lag wirklich unbezahlbar günstig für meine Zwecke. Ich konnte den Parkplatz und die Auffahrt zum Hotel sehen, darüber hinaus ein Stück des alten Parks, ein Stück der alten Strandpromenade, und neben dem Hotel entdeckte ich einen umzäunten Garten, der vermutlich zum Privatgebrauch der Familie Duklas bestimmt war.
Und in diesem Garten standen ein paar Birken in frischem Grün, darunter eine weiße Bank, und auf der Bank saß ein junges Mädchen in Schwarz.
Mein Herz schlug schneller, und am liebsten hätte ich hinuntergerufen und ihr zugewinkt. Nur einige kriminaltechnische Bedenken hinderten mich daran, es sofort zu tun. Aber ich wollte die Gelegenheit ausnützen, solange das Haus noch leer war. Folglich bat ich Doris, sich irgend etwas zu Trinken zu bestellen, ich wolle inzwischen die Lage peilen.
Ich peilte und peilte, aber als ich den Weg zum Garten endlich gefunden hatte, war die weiße Bank unter den Birken leer.
Verärgert kehrte ich in unser Zimmer zurück.
Und jetzt war auch das Zimmer leer. Ein Zettel lag auf meinem Bett, dicht neben Hesekiel, der damit gespielt haben mochte, denn er war naß und zerknautscht. Immerhin ließ er sich noch entziffern.
Bin mit Rolf im Motorboot nach Berg hinüber gefahren. Wir essen im Schloßhotel zu Abend und tanzen dann vielleicht noch ein bißchen. Tschüss und alles Gute! Doris.
Ach ja, ich hatte Hunger. Jetzt erst merkte ich, daß es von irgendwoher nach Essen roch. Ich drückte auf den alten Klingelknopf neben der alten Tür und den neuen Preisen.
Das Zimmermädchen kam, nicht zu hübsch für ein Zimmermädchen und auch nicht zu häßlich. Ihr Blick überflog mich kurz, überflog auch Hesekiel, und dann sagte sie: »Ach, wie reizend! Sicherlich eine ganz seltene und besonders wertvolle Rasse, nicht? Ich finde ihn viel hübscher, als den der gnädigen Frau!«
»Es sind beides unsere Hunde«, sagte ich betont. »Und es ist ein peruanischer Fledermausgriffon. Außerdem würde ich gern etwas essen, und zwar hier auf dem Zimmer. Könnten Sie mir die Speisenkarte besorgen?«
»Gern«, sagte sie und warf einen raschen Blick auf die schönen, neuen Koffer von Doris; vermutlich waren sie auch ein Geschenk. »Gern, der Herr.«
»Ach was«, sagte ich. »Bringen Sie mir
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