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Die blonde Witwe

Die blonde Witwe

Titel: Die blonde Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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Gartentor führten rote Steinplatten über den kurzgeschorenen Rasen zu ihr.
    Als sie mich kommen sah, nahm sie ihre übergroße Sonnenbrille ab, faltete lässig die Zeitschrift zusammen, legte sie neben sich und fing an, ein wenig zu schaukeln.
    Ihre jugendliche, sonnenbraune Haut, von einem winzigen, knallgelben Bikini nur zu einem sehr kleinen Teil bedeckt, schimmerte verführerisch samten. Diese Jungmädchenhaut stimmte mich wehmütig, weil ich zur falschen Zeit und am falschen Ort an Andrea denken mußte.
    Ihre blauen Augen waren vor Staunen geweitet, als sie mich mit Hesekiel über den Rasen kommen sah.
    Sie schwang ihre Modellbeine von der Schaukel und legte eine langhaarige, weiße Schlummerrolle, mit der ihre manikürten Hände gespielt hatten, behutsam neben die Zeitschrift auf die Schaukel.
    »Servus, Jerry!« sagte sie mit ihrer tiefen, rauchigen Stimme. Natürlich ist Doris alles andere als meine Tante.
    Ich beugte mich zu ihr hinunter und versuchte, ihr die Hand zu küssen, was bei dieser Schaukelei nicht ganz einfach war.
    »Nett«, sagte sie. »Wirklich nett, daß du dich auch einmal wieder sehen läßt.« Sie griff nach der Flasche, die neben ihr in einem silbernen Eiskübel stand. »Einen Gin?«
    Ich hockte mich vor sie ins Gras. Hesekiel schnüffelte aufgeregt um mich herum den Rasen ab, dann stellte er sich breitbeinig vor die Schaukel und beschnupperte hörbar die weiße Schlummerrolle.
    Diese knurrte irgendwo.
    Doris lachte.
    »Ein Geschenk«, erklärte sie. »Eine junge Pekinesendame. Sie will von deinem Proleten nichts wissen. Trink endlich und sag, was du von mir willst.«
    Doris war schon immer ein kluges Mädchen, den realen Werten des Lebens sehr zugetan. Darüber hinaus besitzt sie den klaren Verstand eines Eichhörnchens, der genauso weit reicht, um stets auf dem Ast zu landen, den sie erreichen will.
    Vor ein paar Jahren hatten wir uns in einem Abendkurs für Stenographie kennengelernt, und schon damals war ihr der Verdacht gekommen, daß es für ein hübsches Mädchen auch noch andere Möglichkeiten des Geldverdienens gibt, als Kurzschrift. Seit dem vergangenen Jahr nennt sie sich Filmschauspielerin, wozu sie sich hauptsächlich deshalb berechtigt glaubt, weil sie nur fünf Minuten vom Bavaria-Filmgelände entfernt wohnt.
    Ich trank meinen Gin, oder vielmehr ihren, und fand ihn gut. Sie wiederholte ihre Frage von vorhin: »Was willst du von mir? Was kann ich für dich tun?«
    Diese Frage allein beweist, wie klug sie eine Situation erkennt. Ich sagte: »Ich suche Unterschlupf und Geborgenheit. Man sucht mich nämlich.«
    »Deine Frau? Bist du inzwischen verheiratet?«
    »Nicht so schlimm. Nur die Polizei. Man glaubt...«
    Die Schlummerrolle fuhr wie eine giftige Natter herum und versuchte, Hesekiel in die zudringliche Knubbelnase zu beißen. Ich nahm ihn kurz an die Leine, Doris beruhigte ihr kleines chinesisches Hündchen, und dann fuhr ich fort: »Ich soll einen Hotelbesitzer erschossen und beraubt haben. Tatsächlich hat die Polizei einige Anhaltspunkte, die dafür sprechen.«
    »Oh!« machte sie. »Dann bist du der Mann, den sie in der Zeitung suchen?«
    »Leider nicht nur in der Zeitung. Sie wissen, wo ich gewohnt habe, aber von dir wissen sie nichts. Hast du in deinem Häuschen einen kleinen Winkel, in dem ich mich vorübergehend niederlassen könnte?«
    »Hm!« Sie tat, als würde sie nachdenken. Vielleicht dachte sie wirklich nach; das kann man ihr nie ansehen. »Für wie lange denn? Weißt du, Leopold kann sehr eifersüchtig sein, und ich möchte es mit ihm nicht verderben. Ich kenne ihn erst seit vierzehn Tagen, und er fährt einen Alfa Romeo, den er mir schenken will.«
    Ich kenne sie so gut, wie man als Angler seine Forellen kennt. An bestimmten Tagen beißen sie auf einen bestimmten Köder, an anderen gar nicht. Grundsätzlich schien Doris in Beißlaune zu sein.
    »Hör mal, Kindchen«, sagte ich und machte dabei ein möglichst solides und vertrauenerweckendes Gesicht. »Siehst du denn nicht deine große Chance? Natürlich hast du sie schon längst entdeckt. Ich werde mit deiner Hilfe den Fall Duklas klären und dann...«
    Ihre blauen Augen wurden rund.
    »Welchen Fall denn? Du, Jerry — hast du ihn wirklich umgebracht?« Sie fuhr sich mit der Zungenspitze genüßlich über die Lippen. »Du — ich habe nämlich noch nie mit einem Mörder... Ich meine, wenn du ihn umgebracht hast, dann könnte man das doch — also für mich würde das doch eine tolle Presse geben, nicht

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