Die blonde Witwe
der angeblich einen fixen Burschen brauchte. Aber hier, im Hotel, habe ich Sie sofort wiedererkannt. Einfach, was? Und entspricht der Wahrheit. Ich könnte aber des Guten noch etwas mehr tun und schwören, daß Sie mit Herrn Duklas fortgegangen sind.«
Jetzt war die Reihe an mir, zu grinsen.
»Und dann lassen Sie sich diesen Spaß fast dreitausend Mark kosten. Da ist doch eine Panne passiert.«
»Zugegeben. Es wäre uns lieber. Sie würden verschwinden. Fünftausend und einen Paß. Wir würden Sie natürlich bis zur Grenze begleiten.«
»Nicht schlecht. Kommt dieser Vorschlag von der trauernden Witwe?«
Er nahm sich aus meinem Päckchen, das auf dem Tisch lag, eine Zigarette, zündete sie an und sagte: »Ich darf doch? Nein — Frau Duklas hat von allem keine Ahnung. Nur ist der Hauptgläubiger daran interessiert, daß sie so bald wie möglich das Versicherungsgeld bekommt, damit er sich für seine Forderung an das Hotel gedeckt sieht. Jeder Prozeß — ein für Sie aussichtsloser Prozeß, Herr Petersdorff — würde die Auszahlung verzögern. Und das wollen wir nicht.«
Ich tat, als überlege ich. In Wirklichkeit war mir ein Gedanke gekommen, der mich mehr beschäftigte als alles andere, ein Gedanke, der mich so aufregte, daß ich den Mann möglichst bald loswerden wollte.
»Nehmen wir an«, sagte ich, »der Mann, der sich mir gegenüber als Paul Duklas ausgegeben hatte, sei dieser Hauptgläubiger. Stimmt’s?«
»Möglich. Aber das kann Ihnen doch gleichgültig sein.«
»Vielleicht. Heißt er Heidemann?«
Er runzelte die Stirn.
»Was soll das denn, Herr Petersdorff. Fünftausend und Paß, oder...«
»Oder was?«
Er drückte die halb ausgerauchte Zigarette aus, grinste breit und sagte: »Für Mord gibt’s in Deutschland lebenslänglich. Einen zweiten Mord dranzuhängen bedeutet nur eine Farce vor dem Gericht: man wird dann eben zweimal zu lebenslänglich verurteilt. Ich habe dieses lächerliche Gesetz nicht gemacht.«
»Ich verstehe. Wann und wo würde ich Geld und Paß bekommen?«
»Heute abend«, sagte er rasch. »Wir haben damit gerechnet, daß Sie Ihre Chancen richtig einschätzen können.«
»Also gut«, sagte ich und tat, als würde ich mich in diese Alternative ergeben. »Also gut. Wann und wo?«
Er schien befriedigt.
»Sie bleiben, zu Ihrer eigenen und zu unserer Sicherheit jetzt auf Ihrem Zimmer. Heute abend um zehn Uhr...«
Das alte Zimmertelefon klingelte. Ich wollte den Hörer abheben, aber Holzinger kam mir zuvor.
»In Ordnung«, hörte ich ihn sagen, dann hängte er ein und fuhr im gleichen Satz fort: »...gehen Sie an den Strand hinunter. Ein Weg führt durch Gebüsch nach rechts zu einem alten Bootshaus, das nicht mehr in Betrieb ist. Dort werden Sie Ihr Geld und den Paß bekommen, und nehmen Sie Ihr Gepäck gleich mit, denn anschließend werden Sie zur Grenze gebracht.«
Er schien es eilig zu haben. Aber nun hatte ich wieder Zeit.
»Einverstanden«, sagte ich. »Aber wer garantiert mir, daß ich nicht morgen früh als Leiche den Starnberger See zieren werde?«
Er machte eine ungeduldige Handbewegung.
»Unsere Sache steht gut. Wir haben kein Interesse daran, sie durch einen Mord zu verkomplizieren.«
Er wandte sich zur Tür.
»Halten Sie sich an unsere Spielregeln. Um zehn Uhr am Bootshaus, mit Ihrem Koffer.«
Er machte die Tür auf.
»Einen Augenblick noch«, sagte ich. »Sie haben übersehen, daß Sie mir vorhin einen Mord zugegeben haben, den Mord an Paul Duklas.«
Er zuckte mit den Schultern.
»Das wissen Sie doch schon längst.«
Die Tür schloß sich hinter ihm. Ich war mir nun sicher, daß er nicht immer mit einer grünen Schürze und hochgekrempelten Hemdsärmeln herumgelaufen war.
Ich nahm meinen Wurstsalat, trug ihn auf den Balkon und überlegte, was mir da vorhin so plötzlich eingefallen war: Warum wurde in der Presse kein Bild von mir veröffentlicht? Es gab genug Fotos von mir; sie brauchten sich nur in der Redaktion eins zu holen. Auch hätten sie mein Führerscheinfoto verwenden können, oder das von meinem Paß. Wozu gibt es denn das alles doppelt?
Außerdem beschäftigte mich die Frage, warum man mir das Geld und den Paß nicht einfach hierher ins Zimmer brachte. Wozu das mysteriöse Bootshaus? Wollten sie mich dort umbringen?
Holzingers Argumente gegen einen zweiten Mord hatten zweifellos etwas für sich. Kein Mensch, nicht einmal einer, der schon gemordet hat, begeht einen zweiten Mord, wenn es nicht unbedingt nötig ist. Auch mußten sie sich
Weitere Kostenlose Bücher