Die blonde Witwe
bekommen hatte, dann machte ich mich auf den Weg.
Sie kam gerade, als ich vor der Tür stand, die Treppe herauf. Als sie mich sah, blieb sie wie erstarrt stehen. Sie trug ein schwarzes Kostüm, schwarze Schuhe und Strümpfe, und ein kleines schwarzes Hütchen mit einem winzigen Schleier. Ihre rehbraunen Augen sahen nicht verweint aus, sie waren nur schreckgeweitet.
»Verzeihung«, sagte ich. »Sind Sie Frau Duklas?«
Sie kam zwei Stufen höher, blieb dann aber wieder stehen.
»Ja«, sagte sie zögernd. »Was — was wünschen Sie von mir?«
»Ich muß Sie unbedingt sprechen. Es handelt sich um Ihren Mann.«
Ich sah ein wenig blondes Haar unter dem Hütchen, und ihr hübsches, beinahe schönes Gesicht wurde um noch einen Grad blasser.
»Sind Sie — von der Polizei?«
»Nein, bin ich nicht. Können wir nicht hineingehen?«
Mir schien, als sei sie erleichtert. Dann kam sie die Treppe vollends herauf und blieb vor mir stehen. Sie war anderthalb Kopf kleiner als ich.
»Ich weiß nicht«, sagte sie. Ihre Stimme klang wie die eines jungen Mädchens. Es konnte sehr gut die Stimme sein, die ich am Telefon für Andreas Stimme gehalten hatte. Ihre Wangen hatten etwas von ihrer Blässe verloren. Sie wurde sicherer. »Ich weiß nicht — ich möchte mich jetzt mit niemandem unterhalten.«
»Wir können ruhig miteinander sprechen«, sagte ich. »Holzinger ist mit Andrea schon unterwegs.«
Sie wurde wieder blaß.
Schweigend schloß sie die Tür auf, trat ein, ließ mich nachkommen und sah zu, wie ich die Tür verriegelte. Ich stand mit ihr in einer geräumigen Diele. Nur in alten Häusern gibt es noch so große Dielen.
»Wer sind Sie?« fragte sie.
»Ich bin der Mann, den die Polizei für den Mörder Ihres Mannes hält. Ich habe ihn aber nicht erschossen. Sie könnten mir helfen. Man jagt mich. Wollen Sie mir helfen?«
Sie öffnete eine Tür, machte eine Handbewegung und ging voraus in eine Art Salon, der nicht sehr groß, aber gemütlich eingerichtet war: ein alter Orientteppich auf dem Boden, alte, bequeme Chippendalesessel, eine unaufdringliche Tapete und zwei Ölbilder über dem Sofa, Ansichten vom See.
»Was wollen Sie von mir?« fragte sie.
»Ich habe Andrea kennengelernt, kurz ehe — das Unglück passierte. Auf merkwürdige Art — wie, das spielt jetzt keine Rolle — wurde ich in diesen Fall verwickelt. Und jetzt stecke ich bis zum Hals drin. Darf ich rauchen?«
Sie stand am Fenster, mit dem Rücken halb zu mir, und starrte hinaus.
»Bitte«, sagte sie.
Ich zündete mir meine Zigarette an, trat zu ihr und sagte: »Rauchen Sie auch? Es beruhigt die Nerven. Ich brauche das, denn jetzt bin ich entweder geliefert oder gerettet. Es liegt in Ihrer Hand.«
»Wie meinen Sie das?«
»Haben Sie mich am 2. Mai, das war am Donnerstag, gegen Abend angerufen?«
Sie drehte sich zu mir um.
»Ich kenne Sie doch gar nicht«, sagte sie. »Weshalb sollte ich das getan haben?«
Wenn sie spielte, dann war Ingrid Bergman eine Stümperin gegen sie. Ich fand überhaupt, daß sie nicht aussah wie eine, die ihren Mann umbringen läßt, um eine halbe Million zu erben. Ich beschloß, mich auf meinen Instinkt zu verlassen und etwas zu riskieren.
»Wer ist Ihr Hauptgläubiger?« fragte ich. »Bei wem haben Sie, ich meine das Hotel >Seeadler<, die meisten Schulden?«
Sie zuckte mit den Schultern.
»Ich weiß nicht. Ich weiß überhaupt nicht, was Sie von mir wollen.«
»Sie wissen es, gnädige Frau, sonst hätten Sie schon längst den Versuch gemacht, die Polizei anzurufen. Ihr Mann ist erschossen worden. Kann sein, daß er vorhatte, sich selber umzubringen. Jedenfalls wurde er ermordet. Der oder die Mörder wollen, daß man mich als Täter erwischt. Ich weiß, daß Ihr Mann mit einer halben Million versichert war. Es liegt sehr nahe zu glauben, daß Sie scharf sind auf dieses Geld. Es kann aber auch sein, daß es nur der Mörder ist. Hält er Sie unter Druck? Kann ich Ihnen helfen? Wenn ich Ihnen helfe, würde das auch gleichzeitig für mich die Hilfe bedeuten, die ich jetzt dringend brauche. Andrea hat mich angerufen und mir gesagt, sie würde den Mörder kennen. Was wissen Sie davon?«
Sie hatte, während ich sprach, ihr Hütchen abgenommen und war sich mit den Fingern durch ihr blondes, kurzes Haar gefahren. Jetzt setzte sie sich und verbarg ihr Gesicht in den Händen.
»Ich weiß nichts«, sagte sie. »Ich — ich habe etwas geahnt, aber ich weiß nichts.« Plötzlich sah sie mich wild an; es war ein beinahe irrer
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