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Die blonde Witwe

Die blonde Witwe

Titel: Die blonde Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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gewendet hatte, und betrat den Garten.
    Wie die Königin in einer Revue saß Doris in ihrer Hollywoodschaukel, von einem Heizstrahler auf Betriebstemperatur gebracht, denn Anfang Mai sind die Nächte in München noch zu kühl für ein normales Gartenfest.
    Immerhin verbreitete der amerikanische Supergrill einige Wärme, und wem das noch nicht ausreichte, dem wurde offensichtlich mit Alkohol nachgeheizt.
    Es waren Mädchen da und Männer. Die Mädchen versuchten zu lächeln, soweit sie das mit Zähneklappern fertigbrachten, und den Männern mit ihren prallen amerikanischen Hintern in den engen amerikanischen Hosen schien das Klima gerade recht zu sein.
    Niemand beachtete mich, bis ich direkt vor Doris stand, und mich ihre kleine chinesische Schlummerrolle anknurrte.
    Doris trug etwas Merkwürdiges aus weißen Straußenfedern und weißem Chiffon. Sie sah duftig aus, und ihre sonnenbraune Haut war zum Anbeißen.
    Weniger duftig war der Kerl neben ihr, der mich von unten herauf mißtrauisch anschielte. Er mußte gute zwei Zentner wiegen, und ich beschloß, mir die Marke der Schaukel zu notieren, die das aushielt. Er trug ein buntes Hemd über der Hose. Vorn am Ausschnitt war ein Stück von einer Roßhaarmatratze zu sehen. Die ehemals blonden Haare waren bis auf einen Millimeter abrasiert, und der Schädel war groß genug, um jedem Hutverkäufer Schrecken einzujagen.
    Er deutete mit dem Daumen auf mich und sagte zu Doris: »Will der Knabe wat von dich?«
    »Oh, Jerry!« sagte Doris, ohne sich um den Schrank neben ihr zu kümmern. »Oh, Jerry! Wie nett, daß du zu meiner Party gekommen bist.« Jetzt erst wandte sie sich an den Mann, der aussah wie der Leibwächter eines Chicagogangsters. »Das ist mein Freund Jerry. Ich habe dir von ihm erzählt. Die Polizei sucht ihn, weil er einen Hotelier ermordet hat.« Sie machte eine vorstellende Handbewegung und fuhr zu mir gewandt fort: »Und das ist Charley. Ich habe dir doch schon am Telefon heute morgen von ihm erzählt. Er ist ein berühmter Schriftsteller, hat früher in Berlin gelebt, war dann lange in Hollywood und will jetzt hier bei der Bavaria einen Film machen.«
    »Na schön«, sagte ich. »Dann hat er ja auch gleich eine für die Hauptrolle, was?«
    Der Schrank namens Charley grinste mich von unten her an.
    »Nö«, sagte er. »Hauptrolle is nich. Aber ‘ne kleene Hopserei könn’wa für sie einbauen. Saren’Se ma, hammse wirklich een umjelegt?«
    »Das steht noch nicht fest. Die Polizei und ich bemühen uns gerade, es herauszubringen. Im übrigen hängt alles davon ab, daß ihr dichthaltet. Daß ich nicht hiergewesen bin, daß es mich überhaupt nicht gibt, verstanden?«
    Doris kicherte, und der Schrank namens Charley verzog sein Gesicht.
    »Der spuckt zu jroße Töne, wa?« Er griff hinter sich, zog eine volle Flasche Whisky aus dem Kissenberg in seinem Kreuz, reichte sie mir und fuhr fort: »That’s a bottel for you, amigo. Trink se aus un laß uns in Frieden, you understand?«
    Ich hatte verstanden und verkroch mich mit der bottel hinauf in mein Dachkämmerlein zu den Stiefmütterchen vor dem Fenster.
    Da ich Durst hatte, fing ich an zu trinken, und als ich Hunger bekam, trank ich den Hunger tot.

    Das Brummen, das mich endlich aufweckte, kam aus meinem eigenen Schädel. Es zwang mich, aus dem Bett zu klettern und etwas zu unternehmen. Dunkel erinnerte ich mich, daß heute etwas los sein sollte. Ich holte mir ein frisches Hemd aus dem Einbauschrank, lief ins Bad hinunter und ließ mir eine Weile frisches Wasser über den Kopf laufen. Schließlich rasierte ich mich mit einem Apparat, der mir nicht gehörte, und als ich endlich damit fertig war, fing ich an, ein Mensch zu werden, wenn auch ein recht kleinlauter.
    Ich verließ das Badezimmer. Im Haus war alles still, nur mein Schädel brummte immer noch laut.
    Da mir nach schwarzem, starkem Kaffee zumute war, begab ich mich in die Küche, die immerhin groß genug war, um ein paar Würstchen heiß zu machen. Neben dem kleinen Elektroherd stand ein kleiner Elektrokühlschrank. In seine Tür führte ein weißes Kabel, und als ich die Tür öffnete, läutete das Telefon, sanft und ein wenig unterkühlt.
    Ich nahm es heraus und hob den Hörer ab.
    »Hallo?« sagte ich vorsichtig und neutral.
    Eine sonore Männerstimme erklang.
    »Na, endlich. Ist dort Herr Petersdorff? Könnte ich ihn mal sprechen?«
    »Guten Morgen, Oberinspektor«, sagte ich.
    Er knurrte.
    »Verdammt noch mal, was ist denn los? Warum meldet sich da

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