Die blonde Witwe
übrig? Wer wird das Geld bekommen?«
»Andrea Duklas.«
»Richtig. Entweder sie selber oder Holzinger, oder die Heidemann, oder Ihr Mister I werden also über kurz oder lang in Reichenhall irgend etwas unternehmen. Wir werden das Mädchen überwachen und Sie auch. Und Sie werden noch einmal mit ihr sprechen. Sagen Sie Andrea aber nicht die Wahrheit. Ich habe schon alles veranlaßt. Man wird sie morgen vormittag zur Polizei holen und sie offiziell Ihnen gegenüberstellen, zur Identifizierung. Bei dieser Gelegenheit können Sie versuchen, sie auszuhorchen. Und dann werden wir weitersehen. Haben Sie ihr übrigens gesagt, daß ihre Stiefmutter auch tot ist?«
»Ja. Es wäre falsch gewesen, es ihr zu verschweigen. Ich wollte, daß sie mir vertraut.«
»Ausgezeichnet. Vielleicht verplappert sie sich irgendwie. Wie hat sie es denn aufgenommen?«
»Relativ ruhig, aber ich hatte zuwenig Zeit, die Reaktion genau festzustellen. Ihre Kollegen aus Reichenhall waren schon auf dem Kriegspfad gegen mich.«
Wieder lächelte er, und diesmal erschien mir sein Lächeln bösartig.
»Es könnte doch auch sein«, sagte er bedächtig und lauernd zugleich, »ich könnte mir vorstellen, daß sie es schon gewußt hat.«
Mir stockte der Atem. Es wollte einfach nicht in meinen Schädel, daß Andrea schuldig sein konnte. Und was ich im Zorn bei meiner Verhaftung zu ihr gesagt hatte, war längst vergessen. Jetzt aber war es wieder da, das Mißtrauen, die gehässige Stimme in mir: du weißt doch längst, wer dahintersteckt, du willst es nur nicht wahrhaben, weil du in das Mädchen verknallt bist...
»Sie meinen...«
Er rieb sich die Hände und sah mich beinahe hilflos an.
»Was soll unsereins meinen? Wir wissen — durch Zeugenaussagen zuverlässig erhärtet —, daß sie für Ihren Vater nicht allzuviel übrig hatte. Es hat ihr nicht gepaßt, daß er sie ins Internat steckte, und sie gibt ihm die Schuld daran, daß ihre Mutter vor Kummer gestorben ist. Natürlich haben wir auch das schon überprüft. Frau Duklas Nummer 1 ist an Anämie gestorben. Jedenfalls ist die Kleine stocksauer auf ihren Papa gewesen, und wenn ich auch glaube, daß sie ihn nicht selber erschossen hat, könnte es doch jemand für sie getan haben.«
Es konnte etwas dran sein, denn Andrea hatte mir ja gesagt, daß sie ihrem Vater nicht traute, daß sie glaubte, er habe eine Freundin, mit der er ihre Stiefmutter betrüge, wie damals seine erste Frau.
Ich stand auf.
»Na schön, Herr Oberinspektor, ich werde tun, was ich kann. Die Pistole bekommen Sie. Was ist mit dem Wagen, dem grünen Ghia, den ich mir geliehen habe?«
»Den haben wir sichergestellt. Gehört zum Spiel. Wir bringen Sie mit einem Polizeiwagen nach Reichenhall.«
»Wann soll ich fahren?«
»So bald wie möglich. Wann können Sie?«
»Erst mal möchte ich baden und ein frisches Hemd anziehen.«
»Gut. Wo sind Ihre Sachen?«
»Bei einer Tante in Harlaching. Sie ist aber verreist, und ich habe keinen Schlüssel.«
Er zog die Augenbrauen hoch.
»Und was ist in dem Koffer, der in dem grünen Ghia lag?«
»Alles schon verbraucht. Könnte mich jemand nach Harlaching bringen, der ein Türschloß öffnen kann?«
Er zögerte eine Sekunde, dann sagte er: »Auf Ihre Verantwortung. Morgen früh um sieben Uhr holen wir Sie dann ab.«
»Um sieben? Da bin ich noch nicht wach. Geht’s nicht später?«
Er überhörte diese Frage und bestellte mir einen Dienstwagen mit der Order, mich nach Harlaching zu fahren und dort ein Haus für mich zu öffnen.
Er vertraute mir, aber ich war trotzdem sicher, daß mindestens zwei Beamte in Zivil in der Nähe von Doris’ Haus eine schlaflose Nacht verbringen würden.
10
Das kleine Haus in Harlaching war hell erleuchtet. Im Garten hingen Lampions, und auf dem Rasen vor dem Haus stand ein elektrisches Ungeheuer mit Licht, in dessen schwarzer Öffnung sich Brathähnchen feierlich an einem Spieß drehten.
Auf der Straße vor dem Haus standen große Autos, in Hellblau mit Rosa oder Grün mit Rot, manche auch ganz Schwarz mit viel Chrom, alles lange amerikanische Schlitten, mit denen man zur Not auch fahren konnte.
Mein Fahrerpolizist und dessen Kollege sahen mich fragend an.
»Wohnt hier Ihre Tante, die angeblich verreist ist?«
Ich nickte.
»Sie ist eine lebenslustige Person. Vermutlich hat sie umdisponiert. Jedenfalls brauchen wir jetzt die Tür nicht heimlich zu öffnen. Vielen Dank fürs Herfahren.«
Ich stieg aus, wartete nicht erst, bis der Polizeiwagen
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