Die Blüte des Eukalyptus
Thema. »Nun, ich glaube, es wird Zeit, nach Hause zu fahren.«
Als kurz darauf ein Felsbrocken den Abhang hinunterrollte und gegen das hintere Rad der Kutsche prallte, schrie sie vor Schreck auf.
Jake stieß einen Schwall von deftigen Flüchen aus, bis er merkte, wie Gabriel ihn anstarrte.
»Jesses, das war knapp!«, rief Jake, als er den gefährlichen Felsbrocken von der Straße wuchtete.
»Wie wär’s mit einer Tasse Tee? In der Zwischenzeit bringe ich das hier in Ordnung. Mit etwas Glück schaffen wir es noch vor Einbruch der Dunkelheit zu Bran, dem Schmied.«
Im Nu hatte Keziah ein Feuer angezündet und einen Kessel darauf gestellt. Leicht belustigt beobachtete sie, wie Jake in der Mittagssonne schuftete. Sein Hemd war nass und das Haar von Schweiß verklebt. Als er sein Hemd auszog, fiel ihr sein wohl geformter Körper auf. Anders als die meisten Männer, die im Gefängnis gesessen hatten, hatte er sich nicht tätowieren lassen. Im Unterschied zu ihrem Vater. Oder Gem.
»Mögen Sie keine Tätowierungen, Jake?«
»Ich lasse mich von niemandem brandmarken!«
Keziah wusste, dass er in Wirklichkeit Frauen meinte. Nach Jenny war er ein gebranntes Kind.
Ihr fiel auf, dass Jake so unbefangen fluchte, wie andere Leute Luft holten. Dabei war er so erfinderisch, dass es fast wie Poesie klang. Nachdem er das Rad notdürftig repariert hatte, stieß er einen triumphierenden Schrei aus.
»Eine Notlösung, aber sie bringt uns wenigstens bis zu Brans Schmiede.«
»Wo liegt sie?«
»Sie kennen den jungen Bran noch nicht? Ein netter Kerl. Immer bereit, anderen zu helfen. Der Arme hat nur ein Sprachproblem. Er bewegt den Kiefer, aber es kommt nicht viel dabei heraus. Man braucht ein bisschen Geduld mit ihm.«
Keziah sah, wie peinlich es ihm war, als er merkte, dass sie ihn betrachtete. Er zog das Hemd wieder an und setzte sich ans andere Ende eines umgestürzten Baumstamms.
Das Wasser im Teekessel begann zu kochen. Jake warf eine Hand voll Teeblätter hinein und rührte sie mit dem Zweig eines
Eukalyptus um. Der Duft war verlockend. Dann nahm er den Kessel vom Feuer und bewegte den ausgestreckten Arm wie einen Windmühlenflügel im Kreis.
»So sinken die Blätter auf den Grund.« Nach dem ersten Schluck urteilte er: »Hmm, vorzüglich!«
Sie tranken schweigend. Minuten vergingen.
»Woran denken Sie?«, fragte er.
»An nichts.«
»Doch, Sie denken an etwas. Sie sind so verdammt still geworden. Das ist nicht normal bei einer Frau.«
»Sie kennen sich wohl nicht nur mit Pferden aus, sondern auch mit Frauen, wie?«, gab Keziah sanft zurück.
»Irgendwas beschäftigt Sie! Habe ich was falsch gemacht?«
»Aber nein. Mir ist nur aufgefallen, dass Sie ständig fluchen.«
»Was, das fällt Ihnen jetzt erst auf? Himmel noch mal! Ich weiß. Ich habe das Fluchen sozusagen mit der Muttermilch aufgesogen. «
Keziah glaubte, dass er einen Witz machte. »Aber Sie fluchen doch nicht immer , Jake.«
»Selbst ein Mann muss hin und wieder schlafen.«
Sie wandte ein, dass er sich während der ganzen Fahrt in der Kutsche und vor anderen Damen zurückgehalten hatte, und fragte, ob er vor Jenny auch so geflucht hätte.
»Gottverdammmich, natürlich nicht!«
Sie verdaute die Tatsache. »Warum sind Sie mit mir so anders als mit den anderen Frauen?«
Jake nahm sich Zeit zum Überlegen. »Wahrscheinlich weil Sie für mich keine Frau sind, sondern eher so was wie ein Kumpel.«
Erstaunt unternahm sie einen Schuss ins Blaue. »Soll das heißen, dass sich die Männer hier in der Kolonie mit ihren Kumpeln wohler fühlen als mit ihren Frauen?«
»Teufel auch, und ob!«
Keziah war sich bewusst, dass Jake ihr gerade sein schönstes Kompliment überhaupt gemacht hatte, trotzdem war sie sich
nicht sicher, was sie davon halten sollte. Heißt das, dass er mich nicht als Frau sieht? Ist das der Preis für unsere Freundschaft? Oder ist das eine neue Art der Beziehung zwischen den einheimischen Frauen und Männern?
»Meinen Sie, dass Ehemänner, Ehefrauen und Geliebte kommen und gehen, Freunde dagegen fürs ganze Leben bleiben?«
Jake schien ihre unverblümte Definition zu gefallen. »Sie haben es erfasst. Kurz und bündig.«
Keziah musste schlucken. »Wenn wir also richtige Kumpel sind, so wie zwei Männer, dann würden Sie mir jede Neuigkeit über Gem sagen, nicht wahr? Gute wie schlechte.«
»Darauf können Sie Gift nehmen.«
Sie dankte ihm mit einem Nicken. »Ich werde Gem immer lieben, was auch geschehen mag.«
Jake nickte.
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