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Die Blüte des Eukalyptus

Die Blüte des Eukalyptus

Titel: Die Blüte des Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Nicholls
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bewältigt , machte sie sich Mut. Und ich habe noch sechs Monate, um mir einen Plan auszudenken.

    Am nächsten Morgen entdeckte Keziah einen Umschlag, den jemand unter ihrer Tür hindurchgeschoben hatte. Mit zitternden Händen riss sie ihn auf und rechnete schon damit, das Wappen der Morgans zu finden. Stattdessen enthielt er eine Nachricht von Joseph Bloom, in der er sie davon unterrichtete, dass er ein Schreiben von einem Anwalt in Sydney Town erhalten habe, der im Auftrag von Caleb Morgan handelte. Mit wachsender Beunruhigung las sie:
    Dieser Anwalt behauptet, sein Mandant sei davon überzeugt, dass die Tote, die auf dem Friedhof von Bolthole Valley begraben wurde, nicht Mrs. Keziah Stanley – besser bekannt als Mrs. Smith – war, sondern vielmehr glaube, dass sie lebe und seinen Sohn und Erben
entführt habe. Er weist darauf hin, dass er über eine Urkunde verfügt, in der Keziah Stanley alle Rechte an dem Kind für eine großzügige Summe an die Morgan-Familie abgetreten habe. Der Anwalt bittet mich, ihm sämtliche Informationen zukommen zu lassen, die ich über diese Frau und das Kind habe, da sein Mandant beabsichtigt, nach der Rückkehr von seiner Expedition ins Landesinnere den Fall vor Gericht zu bringen.
    Ich habe ihm schriftlich mitgeteilt, dass die Behörden den Unfall untersucht, Keziah Smith’ Mitreisende ihren Tod bestätigt hätten und meine zahlreichen Verpflichtungen als Anwalt mir nicht erlaubten, ihm in diesem Fall weiter behilflich zu sein.
    Da ich weiß, dass Sie zu den Mitreisenden von Keziah Smith gehörten, hielt ich es für angebracht, Sie über diese Entwicklung in Kenntnis zu setzen.
    Ihr ergebener Diener,
    Joseph Bloom
    Keziah hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht aufzuschreien und Gabriel aufzuwecken. Sie riss sich zusammen, las den Brief noch einmal und dankte Del für Josephs Loyalität und taktvolle Sorge um sie. Sie wusste, dass er im Augenblick nur tätig wurde, um Freunden in Not zu helfen. Mit dem Hinweis auf seine zahlreichen beruflichen Verpflichtungen wollte er lediglich Caleb Morgans Anwalt von weiteren Belästigungen abhalten. Nicht zum ersten Mal verfluchte sie sich dafür, dass sie diesen Vertrag mit den Morgans unterzeichnet hatte. Vor Gericht wäre er ein unumstößlicher Beweis gegen sie.
    Verzweifelt ging sie in das winzige Schlafzimmer hinüber und betrachtete das blonde Kind in seinem Bettchen. Das Einzige, was Gabriel von ihr geerbt hatte, waren die violettblauen Augen. Alles andere zeugte davon, dass er Caleb Morgans Sohn war — vor allem der Haarwirbel. Sollte Gabriel jemals vor Gericht erscheinen müssen, würde keine Jury ihr abnehmen, dass sie ihn als Findling adoptiert hatte.

    Den ganzen folgenden Tag lang suchte Keziah den Horizont ab, in der festen Gewissheit, dass jemand auftauchen würde, der wichtig für sie wäre. Als sich dann ein Mann in einem heruntergekommenen Pferdewagen näherte, schreckte sie zusammen, aber dann wich die Angst einem Gefühl angenehmer Geborgenheit und Leichtigkeit.
    Es war Jake Andersen!
    Der ausgebleichte Hut flog ihm vom Kopf und blieb an der Schnur über dem Rücken hängen. Jetzt peitschte der Wind ihm in das rotblonde Haar und blähte sein gestreiftes Hemd. Gesicht, Arme und Brust waren gebräunt. Er kniff die Augen vor dem grellen Sonnenlicht zusammen, doch sein schräges Lächeln war träge und selbstsicher. Keziah freute sich, ihn zu sehen. Er war anders als alle Männer, die sie kennen gelernt hatte. Offen, stark, mit einem wilden, jungenhaften Zug, der seinen Ursprung in den Wurzeln der Kolonie hatte.
    Sie lief auf die Veranda, um ihn willkommen zu heißen.
    »Ich bin froh, dass Sie sich wieder ganz erholt haben. Darf ich Ihnen eine Tasse Tee anbieten, Mr. Andersen?«
    »Jake, wenn ich bitten darf. Da sage ich nicht nein. Hey, hier duftet es ja wundervoll.«
    »Ein Kuchen nach dem Rezept meiner Großmutter. Ich hatte es im Gefühl, dass heute ein Freund vorbeikäme.«
    »Und ich hatte vergessen, dass Sie alles wissen, ehe es passiert. «
    Sie lachte, und er grinste sie an. Heute war er rasiert, sodass sie zum ersten Mal sein Gesicht richtig sehen konnte. Ein kräftiges Kinn, ein breiter, großzügiger Mund. Sie hatte das Gefühl, sich von dem offenen Ausdruck in den ehrlichen, grauen Augen abwenden zu müssen.
    Was führte ihn hierher? Doch nicht das, worauf alle Männer scharf waren. Oder doch?
    Jake nahm ihre unausgesprochene Frage vorweg. »Machen Sie sich wegen Ihres guten Rufs keine Sorgen. Ich habe

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