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Die Blüte des Eukalyptus

Die Blüte des Eukalyptus

Titel: Die Blüte des Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Nicholls
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der Freiheit.«
    Selbstverständlich war Keziah klar, dass den Eingeborenen das Konzept, welches die Weißen von Freiheit hatten, völlig fremd war. Dass weiße gubbas einem menschlichen Wesen seine Freiheit rauben konnten, musste ihnen als unaussprechliche Grausamkeit erscheinen.
    Die Sache mit der Freiheit . Ihre eigentümliche Ausdrucksweise machte Keziah Mut. Nerida hatte die gefürchtete Hochzeit in ein Fest verwandelt, um der Obrigkeit eins auszuwischen.
    Am gleichen Tag kam Sunny Ah Wei mit seinem Laden auf Rädern an.
    »Sie kommen wie gerufen, Sunny«, sagte Keziah. »Ich brauche Stoff für ein Hochzeitskleid.«
    Sunnys Lächeln stockte kurz. »Ah! Hochzeit großes Glück! Habe viele schöne Sachen für Sie! Sind Sie die Braut, Missy?«, fragte er Nerida.
    Als Nerida ihn ignorierte, antwortete Keziah für sie. »Nein, die Braut bin ich«, erklärte sie und setzte dann leise hinzu: »Leider.«
    »Ah, sehr gut!« Sunnys Lächeln weitete sich.
    Als Nerida sie hinter dem rotgoldenen Brokat nicht sehen konnte, meinte Sunny: »In China Rot doppeltes Glück für die Braut. Viele Kinder.«
    Keziah verstand nicht, warum Nerida Sunny gegenüber so abweisend war. Ist sie schüchtern? Mag sie ihn? Oder reagieren die Wiradjuri-Frauen so, wenn man ihnen den Hof macht?

    Sunny nahm ihre Maße für einen Schneider in Goulburn, der sehr schnell arbeitete und so preisgünstig war, dass Keziah sich fragte, wie er mit einer so geringen Verdienstspanne überhaupt existieren konnte. Taktvoll ging sie ein paar Schritte weiter und tat so, als sähe sie sich die neuen Küchengeräte an, damit Sunny Gelegenheit hatte, allein mit Nerida zu sprechen. Doch als er schließlich weiterfuhr, machte er einen ziemlich niedergeschlagenen Eindruck.
    »Was, um Himmels willen, hast du ihm gesagt, Nerida, dass er so mutlos ist?«, fragte Keziah.
    »Ich bin einem Wiradjuri-Mann versprochen. Ich heirate keinen Chinesen.«
    Keziah war ratlos. Nerida sprach nie von den Seelenqualen, die sie mit sich herumschleppte, aber Keziah hatte von Jake erfahren, dass nach dem Massaker bei Myall Creek viele Wiradjuri-Männer verschwunden waren. Ob tot oder lebendig, alle waren enteignet worden. Genau wie Gem und ich .
    In dieser Nacht erwachte Keziah aus einem lebhaften Traum. Mit pochendem Herzen richtete sie sich im Bett auf. Im Traum war sie leidenschaftlich von einem Mann geküsst worden, den sie nicht identifizieren konnte. Er hatte ein rotes Halstuch getragen. Daniel war es nicht gewesen, aber auch nicht Gem.

    In Gideon Park hakte Daniel Browne auf einer Wand jeden Tag, der noch bis zur Hochzeit blieb, mit einem Strich ab. Die angebliche Saranna Plews war seine Fahrkarte in die Freiheit, trotzdem lebte er in ständiger Angst, dass in letzter Minute noch etwas schiefgehen könnte. Er schlief unruhig und arbeitete wie eine Maschine, um dem Aufseher nicht aufzufallen, der seine Entlassung mit einem einzigen Federstrich hätte vereiteln können. Daniel versuchte, alle Emotionen und Instinkte zu unterdrücken, die mit seiner Umgebung zu tun hatten. Nur in den heimlichen Stunden, die er wie im Rausch mit seiner Kunst verbrachte, erlaubte er sich gewöhnliche, menschliche Gefühle. Doch die Gesichter
seiner Modelle auf dem Papier erschienen ihm lebendiger als Menschen aus Fleisch und Blut.
    Als er jetzt auf das Haus seines Masters zuschritt, trug er stolz sein letztes Werk unter dem Arm, das bestellte Porträt von Charlotte Jonstone.
    Er muss einfach sehen, wie gut es ist. Ich habe nicht nur die aristokratischen Züge seiner Frau eingefangen, sondern auch die Traurigkeit in ihren Augen – weil es ihr versagt blieb, ihm einen Stammhalter zu schenken.
    Daniel versicherte sich ein letztes Mal, dass er sich größte Mühe gegeben hatte, die einzige Frau aus der Oberschicht, die er kannte, zufrieden zu stellen. Er hatte sie in ihrem vorteilhaftesten, rosafarbenen Kleid auf einem prächtigen, holzgeschnitzten Stuhl porträtiert. Einmal hatte sie ihm erzählt, er sei ein fauteuil von Louis XVI. gewesen. Ihr Lieblingsfächer aus Elfenbein lag neben ihr auf einem Regency-Tisch. Stundenlang hatte er in seiner Freizeit am Arrangement ihrer blonden Locken, der belgischen Spitze an Ärmeln und Halsausschnitt, den schimmernden Perlen und dem indischen Saphirring, einem alten Familienerbstück, gefeilt.
    Als er am Dienstboteneingang klopfte, war er sich seines Erfolges sicher, doch dann sagte ihm die Wirtschafterin, dass er zu spät dran war. Die Jonstones waren nach Bathurst

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