Die Blüte des Eukalyptus
Vorstellung womöglich den einzigen Venezianer in dieser Kolonie ans Licht bringen würde. Was auch der Fall war.«
Jake sprang auf. »Wollen Sie damit sagen, dass er es war? Wieso haben Sie mir nicht Bescheid gesagt?«
»Hätte ich das getan, säßen Sie jetzt im Gefängnis und würden wegen Mordes angeklagt! Also, setzen Sie sich wieder hin, halten Sie den Mund und hören sich an, was ich herausgefunden habe. Noch ist nichts verloren!«
Kochend vor Wut nahm Jake wieder Platz.
»In einer Privatloge saß ein venezianischer Conte – ein Graf –, der Mann, zu dem ich seit Wochen ein Dossier zusammenstelle. In seiner Begleitung war eine bemerkenswerte Schönheit, die große Ähnlichkeit mit dem Porträt Ihrer Frau hatte.«
Jake war, als hätte ihm jemand einen Schlag in die Magengrube versetzt.
Rogers beschrieb sie: eine kleine Venus. Blaue Augen, herzförmiges Gesicht, leichte Stupsnase. Vollkommener englischer Teint. Rabenschwarzes Haar, trotzdem von Natur aus blond – er könne eine Perücke auf hundert Meter erkennen, behauptete er.
Rogers war bewusst, wie sehr er Jake damit traf.
»Ist der Leberfleck auf der linken Brust Ihrer Frau auch falsch?«
»Nein, er ist echt. Es ist Jenny, kein Zweifel. Und Sie sind sich sicher, dass er derjenige welcher war?« Jake wollte keinesfalls das Risiko eingehen, gehängt zu werden, weil er sich den falschen Kerl vorknöpfte.
Rogers nickte. »Mein Informant hat ihn eindeutig identifiziert
und auch gehört, wie er Ihre Frau anderen Anwesenden als italienische Adlige vorstellte.«
Jake stieß ein gezwungenes Lachen aus. »Das passt zu Jenny.« Er konnte es kaum abwarten zu erfahren, wie der Schurke aussah, brachte es jedoch nicht über sich, den Detektiv um eine Beschreibung zu bitten.
Der lieferte sie freiwillig. »Ein arroganter Kerl, er stolziert herum wie ein Pfau. Er ist größer als Ihre Frau.«
»Jesses, wer ist das nicht?«
»Auf seinem tadellosen Abendanzug trug er einen funkelnden Orden. Mit meinem Opernglas konnte ich das Wappen auf seinem goldenen Siegelring erkennen. Ein brüllender Löwe, das Symbol von Venedig. Schwarzes, lockiges Haar, dunkle Augen und dunkle Haut. Wenn er lacht, zeigt er die Zähne. Ein Genießer, der seinen Leidenschaften frönt. Soll ich fortfahren?«
Jake nickte. »Wie haben Sie reagiert?«
Rogers erklärte, das sei die schlechte Nachricht. Er war aufgehalten worden, als im Foyer ein Handgemenge zwischen ein paar jungen australischen Burschen und den Demonstranten der Abstinenzlergesellschaft ausgebrochen war. Nachdem er sich endlich einen Weg durch die Menge gebahnt hatte, war er ihnen noch bis zum Schiff, der Britannia, gefolgt, wo sie unter dem falschen Namen Jones eine Passage gebucht hatten.
Jake nickte ungeduldig. »Worauf warten wir dann noch, zum Teufel?«
Rogers blies einen Rauchring in die Luft. »Nehmen Sie sich zusammen. Das Schiff ist heute Früh mit der Flut Richtung Neuseeland ausgelaufen.«
Jake stieß einen ganzen Schwall von Flüchen aus.
Rogers reagierte mit nervtötender Gelassenheit. »Nach allem, was ich bislang über den Conte und seine Lebensweise erfahren habe, können wir davon ausgehen, dass er zurückkehren wird. Er hat sein Geld hier angelegt. Ich warne Sie. Es genügt nicht, Ihre Frau lediglich aufzuspüren. Männer wie der Conte können
das Gesetz manipulieren. Ich habe Ihnen diese Informationen so lange vorenthalten, bis ich genügend Beweise hatte, damit Sie die Möglichkeit haben, vor Gericht das Sorgerecht für Ihre Tochter zu beantragen. Ihre Frau hat Ehebruch begangen, oder haben Sie das schon vergessen?«
»Wie könnte ich das jemals vergessen!«
Rogers schob ihm eine Mappe über den Tisch zu. »Hier liegt der Schlüssel zu dem Mann.«
Jake hörte aufmerksam zu, während der Detektiv ihm darlegte, wie die Hinweise auf die bevorstehende Depression in der Kolonie ihnen ihre Beute in die Hände getrieben hatte. Die Geschäftspartner des Grafen seien alle hoch verschuldet. Letztes Jahr schienen ihre Reiche noch uneinnehmbar zu sein. Jetzt gehe einer nach dem anderen vor den Banken in die Knie.
»Wollen Sie sagen, dass Jennys Beschützer pleite ist?«
»Noch nicht, aber er bewegt sich auf sehr dünnem Eis. Letzte Woche hat sich ein Bankier in Melbourne eine Kugel in den Kopf gejagt – nur weil seine Bank Insolvenz hatte anmelden müssen. Er war der Finanzier des Grafen.«
»Und wie hilft mir all das, meine kleine Pearl zu finden?«
Rogers deutete mit seiner Zigarre auf das Dossier.
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