Die Blüte des Eukalyptus
dass er für dein Vergehen deportiert wurde!«
Daniel sprang wütend auf. »Was bist du für ein Musterbeispiel an Tugend! Eine Lügnerin, die die Wahrheit so verbiegt, wie es ihr passt, und die sich dann die Frechheit herausnimmt, anhand ihrer überlegenen Roma-Moral über mich zu urteilen!«
»Ja! Und ich würde es immer wieder tun, um Gabriel zu beschützen. Aber meinetwegen musste niemand leiden. Wie kannst du mit dem leben, was du Sarannas Vater angetan hast?«
Daniel sank auf den Stuhl, seine Wut war verflogen.
»Es ist zu spät, um irgendetwas wiedergutzumachen. Maynard Plews ist tot. Er ist in der Kalkbrennerei von Newcastle ums Leben gekommen. So steht es in den Akten.«
Daniel spürte eine seltsame Erleichterung, dass seine feige Tat endlich ans Licht gekommen war, auch wenn er sie nun mit einer Frau teilen musste, die ihn verachtete. War jetzt die Zeit gekommen, auch die andere dunkle Wahrheit zu offenbaren, die an ihm nagte?
Drei Wochen später war Weihnachten. Gabriel konnte es kaum erwarten. Der Junge hatte einen Versuch in letzter Minute gestartet
und war schon ganz früh brav zu Bett gegangen, damit einem Besuch des »alten Mannes in dem roten Gewand, der Kindern Geschenke bringt«, nichts im Wege stand.
Daniel saß am Küchentisch und legte letzte Hand an ein Holzschiff, das er für Gabriel geschnitzt hatte. Keziah las im trüben Licht einer Petroleumlampe alte Zeitungen. Obwohl sie sehr gern Lehrerin war, wusste er, wie froh sie war, die Pforten der Schule zwei Wochen schließen zu können, denn das verschaffte ihr Zeit, ihre vernachlässigte Lektüre nachzuholen und ein paar faule Sommertage mit Gabriel zu verbringen.
Aufgeregt las ihm Keziah eine Meldung über die bevorstehende Ankunft von zweihundertsiebenundsechzig männlichen Strafgefangenen auf der Eden in Sydney laut vor. »Hier steht, es wäre der letzte Transport von britischen Gefangenen in die Kolonie, auch wenn sie die armen Teufel nach wie vor nach Van Diemen’s Land und Norfolk Island schaffen werden. Hört sich aber trotzdem an, als würde hier das Totenglöckchen für das System geläutet, oder? Jake wird sich freuen.«
Als sie Jakes Namen erwähnte, warf ihr Daniel einen scharfen Blick zu. »Ja, ich denke, dass er bald hier aufkreuzen wird.« Er versuchte, das Gespräch auf die aktuellen Spekulationen über die Politik des Gouverneurs zu lenken. Gipps ging es nur um Recht und Ordnung. Jetzt, nach dem Ende der Strafgefangenentransporte, konnten wieder mehr freie Siedler kommen. Keziah hörte nicht zu, sondern las ihm einen Artikel über die neuesten Heldentaten des jungen Buschräubers Teddy Davis vor, Anführer der sogenannten Jew- Boy’s-Mob-Bande, die die Gegend um Hunter Valley terrorisierte.
Daniel war irritiert. »Warum interessierst du dich so sehr für diese Bande? Was ist denn mit uns ? Die Buschräuber werden doch nicht einfach verschwinden, bloß weil keine Gefangenentransporte mehr nach New South Wales kommen.«
Er wollte seine Argumente mit Berichten aus der offiziellen Sydney Gazette und der sogenannten »Bibel der Strafgefangenen«,
dem The Sydney Monitor untermauern, aber er wusste, dass Keziah Gems wegen Sympathien für die Buschräuber hegte. Sie machte auch jetzt keinen Hehl daraus.
»George Hobson hat erzählt, dass Gideon Park während der Abwesenheit der Jonstones von Jakes Kumpel, Will Martens, überfallen worden ist. Warst du nicht auch froh, als du hörtest, dass Will den Aufseher eingesperrt hielt, während er das Haus plünderte? Wie nennen sie ihn noch? Den Teufel in Person?«
Trotz seines jahrelangen Leidens in Gideon Park klang Daniels Antwort scharf. »Will ist ein Idiot! Der Teufel in Person hat ein langes Gedächtnis.«
Keziah wollte unbedingt wissen, auf welcher Seite Daniel stand.
»Wenn ein Ausreißer an deine Tür klopfen würde, würdest du ihm zu essen geben? Jake würde es tun, das weiß ich.«
»Dann ist auch Jake ein Dummkopf. Warum sollte ich das Risiko eingehen, meine Freiheit zu verlieren? Schlimmer noch – nach Norfolk Island geschickt zu werden, weil ich einem Buschräuber Zuflucht gewährt habe? Meine Pflicht ist es, Gabriel und dich zu beschützen.«
»Eine noble Ausrede, um deine eigene Haut zu retten«, entgegnete sie verächtlich.
»Du wärst froh, wenn ich derjenige wäre, den man totschießt, stimmt’s?«
»Ich möchte für niemandes Tod verantwortlich sein, aber eins lass dir gesagt sein, Daniel, ich werde keinen Buschräuber wegschicken, wenn ich weiß,
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