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Die Blüte des Eukalyptus

Die Blüte des Eukalyptus

Titel: Die Blüte des Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Nicholls
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Angst verraten würde. Wenn irgendetwas Übles in ihm steckt, werde ich es spüren, sobald sich unsere Hände berühren.
    Bran reichte ihr schüchtern die Hand, und Keziah verspürte einen heftigen Schmerz wie einen Stromschlag. Was, zum Teufel, war los?
    Als Bran sich zum Amboss wandte, um die neuen Hufeisen für den Brumby zu bearbeiten, weckte ein kaputtes Spielzeugpferd Gabriels Aufmerksamkeit.
    »Du gehst nicht in die Nähe des Feuers«, warnte ihn Keziah.
    »Ich habe ein Auge auf ihn«, versicherte ihr Jake.
    Ziellos schlenderte Keziah weiter und gelangte zu einem dunklen Raum im hinteren Teil der Schmiede – nur ein kleiner Lichtstrahl fiel durch eine Ritze in der Holzwand. Plötzlich wurde ihr schwindelig, sie wollte schreien, doch kein Ton drang aus ihrer Kehle. An den Dachsparren des Raums hing der Körper eines Mannes, der mit einem Soldatenmantel bekleidet war. Seine graue Haut war scheckig, die aufgedunsenen Augen in Todesqualen verdreht. Ein süßlicher Geruch nach Verwesung stieg ihr in die Nase. Jede Hilfe kam zu spät.
    Keziah taumelte erschrocken zurück und stolperte über ein
Eisenrad, das klirrend gegen weiteres Eisenzeug fiel. Plötzlich starrten alle sie an, und sie erkannte die Panik in Brans Augen, trotzdem brachte sie kein Wort heraus.
    Mi-duvel! Wie lange hängt diese Leiche schon da? Und dann wurde ihr schwarz vor Augen.

    Als Keziah wieder zu sich kam, lag sie auf Brans riesigem Eisenbett. Neben ihr saß Jake und rieb ihre kalten Hände, während Bran ihr ein feuchtes Handtuch auf die Stirn drückte.
    »Habt ihr ihn runtergeholt?«, keuchte sie ängstlich.
    Jake missverstand ihre Sorge. Er deutete mit dem Kinn auf Gabriel, der in einer Ecke kauerte und seine Mutter ängstlich beobachtete.
    Keziah versuchte, den Jungen zu beruhigen. »Mama ist nur wegen der Hitze ohnmächtig geworden.«
    Gabriel lächelte ihr unsicher zu.
    Sie flüsterte Jake zu: »Nein, ich meine die Leiche im Zimmer nebenan!«
    Da vergrub Bran das Gesicht in den Händen und fing an zu schluchzen wie ein Kind.
    Jetzt begriff Keziah die Wahrheit. Diese Leiche ist gar nicht da. Es ist ein Geist. Und Bran weiß, dass er da ist!
    Sie nahm Jakes Hand. »Bitte, geh mit Gabriel nach draußen. Ich muss mit Bran sprechen.«
    Jake runzelte die Stirn, dann nickte er. Sie wusste, dass er längst aufgegeben hatte, ihre Visionen zu verstehen.
    »Komm mit, mein kleiner Roma. Wir füttern Brans Hühner.«
    Der Schmied ließ sich aufs Bett fallen, das Gesicht immer noch in den Händen vergraben. Keziah strich ihm das Haar aus der Stirn und sah die tiefe Narbe einer alten Wunde.
    »Schon gut, Bran. Ich weiß, wer es ist. Dein Vater.«
    Brans Angst drohte sie zu überwältigen, als sie ihren Körper überflutete. Sie sträubte sich nicht gegen diese Übertragung, ließ aber auch nicht zu, dass die Angst ihre Gedanken trübte. Sie legte
ihm die Hand auf die Schulter und bot ihm beides an: den Respekt, den man einem Mann entgegenbringt, und die Liebe zu einem Kind.
    »Du kennst die Wahrheit, nicht wahr, Bran? Du bist nicht an seinem Tod schuld.«
    Er schüttelte heftig den Kopf und schrie gequält und schuldbewusst: »Ich!«
    Sie brauchte keine Worte von Bran, um die Bilder zu interpretieren, die sie im Geiste vor sich sah. Wie der zwölfjährige Bran die Leiche seines Vaters losschnitt, ihr den Soldatenmantel auszog und ihn in der ockerfarbenen Erde begrub.
    Sie konnte Brans bruchstückhaften Gedanken hören. Er ließ mich die Schlinge machen, um mich aufzuhängen. Und dann hing er sich selbst auf. Der Finisher wird mich hängen. Ich habe Pa getötet!
    Keziah packte ihn an den Armen. »Nein, Bran! Er ist schuld. Er wollte sterben. Er ließ dich wie einen Mann arbeiten, er schlug dich wie einen Mann. Er benutzte dich wie einen Mann. Aber du warst ein Kind. Bran, hör mir zu! Du bist nicht schuld an all den schrecklichen Dingen, die dir passiert sind.«
    Dann wiegte sie ihn in ihren Armen, während er die Qualen des kleinen Jungen hinausschrie, der in ihm steckte. Sie fragte nicht, wo er seinen toten Vater begraben hatte. Der Geist dieses verfluchten Mannes würde eines Tages seine letzte Ruhestätte preisgeben. Im Moment zählte nur eins: Bran zu heilen. Gegen seine Erkrankung war kein Kraut gewachsen, aber sie konnte ihm das magische Geschenk der Götter geben: Freundschaft. Und in Brans Augen erkannte sie, dass sie von nun an seine Schwester war.
    Feierlich hob sie die Hand und sprach ihren heiligsten Schwur: »Bei der Hand meines Vaters,

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