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Die Blüte des Eukalyptus

Die Blüte des Eukalyptus

Titel: Die Blüte des Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Nicholls
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Hast du das Recht, deinem Sohn das Leben zu verweigern, das ich dir bieten kann? Wir haben bei Gabriel etwas gutzumachen.«
    »Hör auf, Caleb. Du bringst mich ganz durcheinander.«
    »Ja, meine Liebe. Nichts ist mehr so wie noch vor einer Stunde.«
    Die Wahrheit, die sich in diesen Worten verbarg, durchfuhr sie wie ein Stich. Hatte sie das Recht, Gabriel die Möglichkeit zu verwehren, seinen Vater kennen zu lernen, wenn Caleb tatsächlich nichts mit den üblen Machenschaften seines Vaters zu tun gehabt hatte? Sie hatte erlebt, wie eine ähnliche Situation Jake Andersen fast zerstört hatte. War sie nicht besser als Jenny?
    Gem war für immer verloren. Daniel hatte sich für die Kunst entschieden. Jakes Herz gehörte Jenny. Keziah versuchte, das bisschen, das ihr noch von ihrem Stolz und ihrer Unabhängigkeit geblieben war, zu retten. Sie wusste, dass sie keinen Mann mehr im Leben brauchte, aber was war mit Gabriel? Er war noch keine vier und hatte bereits zwei Vaterfiguren verloren, an denen er gehangen hatte: Daniel und Jake.
    Caleb musterte sie wie ein Spieler, der seine Chancen auslotet.
    »Ich würde Gabriel und dich morgen gern zu dem deutschen Blaskonzert nach Goulburn mitnehmen. Es wäre eine Gelegenheit für ihn, mich kennen zu lernen.«
    Sie zögerte, war verwirrt und erschöpft. »Du kannst Gabriel treffen, aber vorerst nur als Freund. Sein Leben ist schon kompliziert genug.«

    Caleb beugte sich vor, um sie auf die Wange zu küssen. »Dann bis morgen.«
    Völlig aufgelöst schloss Keziah die Tür hinter ihm. Durch das Fenster sah sie, wie Nerida den beiden Jungen beibrachte, ein Krieger zu sein. Sie drehte sie auf die Seite, damit sie ihre kleinen Körper hinter den Schilden aus Rinde vor den Schilfspeeren, die sie aufeinander richteten, besser schützen konnten.
    Nach Gabriels Geburt hatte sie bei der Hand ihres Vaters geschworen, ihrem Sohn ein gutes Leben zu ermöglichen, aber musste sie deshalb ihr Roma-Erbe verraten?
    Ihr Kopf schmerzte, während Calebs Worte darin widerhallten. » Wir haben bei Gabriel etwas gutzumachen .«
    Mi-duvel! Muss ich am Ende den Pfad nehmen, der zu Caleb Morgan führt?

ACHTUNDDREISSIG
    J ake war hundemüde, aber bei klarem Verstand, als er hoch zu Ross die letzte Etappe des langen Wegs nach Melbourne Town zurücklegte. Die Strecke war zum Teil so unbesiedelt, dass er sich von Stockbrot und Tee hatte ernähren müssen. Als er endlich die Stadt erreichte, staunte er, wie rasch sie seit seinem letzten Besuch gewachsen war. Die breite Collins Street war von eleganten Gebäuden gesäumt, die ihr ein vornehmes Flair verliehen. Jake wusste, dass die freien Siedler über die Bewohner von Sydney Town die Nase rümpften, denn sie selbst hatten sich gegen die Ansiedlung von Strafgefangenen ausgesprochen und akzeptierten höchstens vereinzelte Exil-Briten.
    Als er ein neu erbautes Wirtshaus sah, fiel ihm sein Durst ein. Der Balkon war mit roten, weißen und blauen Fahnen und der französischen Trikolore behängt. Auf einem Banner prangte das Datum »14. Juli« unter dem Spruch »Vive La Belle France«, was immer er bedeuten mochte. Er führte Horatio zu einer Pferdetränke und trat in das Wirtshaus, um ein Albion Ale zu bestellen. Es war keine große Überraschung, dass der Wirt, ein freundlicher Kerl, aus Frankreich stammte. Er gab ihm ein Glas Wein aus und erzählte, dass die Franzosen am Nationalfeiertag die Erstürmung der Pariser Bastille durch das Volk feierten.
    »Darauf erhebe ich mein Glas«, sagte Jake. Das Datum kam ihm wie ein gutes Omen vor. Er hätte nichts dagegen, wenn heute auch der letzte Tag im Leben des Conte Francesco della Lorenzo wäre. Während der französischen Revolution waren Tausende von Adligen geköpft worden. Jake hingegen wollte nur einen loswerden. Dann nahm er sich vor, Prioritäten zu setzen.

    Heute würde er den Höhepunkt seiner langen, bitteren Suche erleben. Drei Dinge hatte er im Kopf, Jenny, Pearl und den Schurken, der ihm Frau und Kind gestohlen hatte. Jake wusste genau, was er wollte. Gerechtigkeit und Rache. Pearl finden und dem Kind versichern, dass er es liebte und niemals wieder verlassen würde. Jenny auf die Knie zwingen, so oder so. Wenn sie Mätzchen machte, hatte er zur Not Rogers’ Bericht dabei. Am Ende würde er den Grafen in die Hölle befördern, doch zuerst musste er sein Anrecht auf Pearl geltend machen.
    Es hatte keinen Zweck, am Galgen zu enden, wenn Jenny einen neuen reichen Beschützer fand und Pearl abermals das

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